(c) Andreas Klisch, Germany, 2021

 

Blog zum Neoliberalismus

 

Teil 4: Globalisierung und „Outsourcing“


Eine Markenhose eines bekannten deutschen Herrenausstatters kostet in einem deutschen Geschäft ca. 80 Euro.

Der betreffende Hersteller hat seine Produktion ins asiatische Ausland verlagert, nach Thailand oder China. Nach seiner Aussage deswegen, weil nur dort noch kosteneffizient produziert werden könne. Daher mussten in Deutschland zwangsläufig Arbeitskräfte freigesetzt werden.


Dieselbe Markenhose kostet nun in einem teuren Kaufhaus in Manila oder Bangkok lediglich etwa ein Viertel des deutschen Verkaufspreises, nämlich etwa um 20 Euro.

Was ist da passiert? Werden da Überbestände billig verhökert? Sind das alles Produktfälschungen von Billiganbietern?

Wohl kaum. Die Qualität der Textilien, die man in Thailand, auf den Philippinen oder in Hongkong erhält, ist erstaunlich gut. Fast möchte man sogar meinen, bei Gebrauchstextilien wie Jeans oder T-Shirts wäre sie besser als das, was in Deutschland zu immer noch vergleichsweise teuren „Schnäppchenpreisen“ am Wühltisch oder beim Kaffeeröster verkauft wird.

Eher ist es wohl doch so, dass der Preis von 20 Euro für eine Markenhose dichter an den tatsächlichen Herstellungskosten liegt, als die in Deutschland dafür veranschlagten 80 Euro.

Rechnet man die Kosten für Fracht, Vertrieb, Verkauf, Steuern etc. hinzu, kann man davon ausgehen, dass ein Preis von ca. 70 Euro für die Markenhose in Deutschland immer noch gewinnbringend für den Hersteller wäre. Das reicht jedoch dem Hersteller nicht. Eine läppische Gewinnmarge von vielleicht 5-10 Prozent lässt die erzielte Rendite unattraktiv für die Kapitalanleger werden. Das Kapital wird abgezogen und zugunsten eines anderen Betriebs investiert, der mit dem Trend geht und die Produktion nach Thailand oder China verlagert hat. Und der damit eine Gewinnmarge von 30 oder 50 Prozent oder viel mehr erzielt.


Der Preisvorteil aus dem Globalisierungseffekt wird keinesfalls voll an den Endkunden weitergegeben.

Vielmehr kommt es zu einem überproportionalen Anstieg der Gewinnmargen.

Und das ist der eigentliche Motor der Globalisierung.


Tatsächlich fallen die Endpreise durch das „Outsourcing“ nur soviel, wie es braucht, um einen Konkurrenten, der in Deutschland fertigt, so weit zu unterbieten, dass er mit den Gewinnmargen des Konkurrenten nicht mehr mithalten kann. In der Folge droht die Abwanderung des Kapitals. Dadurch wird die Konkurrenz gezwungen, nachzuziehen. Es können sich lediglich noch Betriebe halten, die sich z.B. im Familienbesitz befinden und nicht auf Investoren aus dem nervösen, ständig auf der Hatz nach dem Maximalertrag laufenden Kapital angewiesen sind.

Der vergleichsweise noch gute Stand der deutschen Volkswirtschaft ist nicht zuletzt auf den hohen Bestandteil an mittelständischen Betrieben zurückzuführen, die sich nicht zugunsten ausländischer Finanzprofiteure ausschlachten lassen.

Dagegen ist der „Kostendruck“ merkwürdigerweise dort am höchsten, wo auch das meiste Kapital unterwegs ist, und wo die Renditemeldungen jährlich neue Rekorde schreiben.


Große Konzerne überbieten sich Jahr für Jahr mit Meldungen über Spitzenerträge und Erfolgsbilanzen.

Das alles tritt jedoch in der internen Berichterstattung in den Hintergrund.

Uninteressant, nicht ausreichend.

Weil nämlich der Konkurrent ein noch besseres Ergebnis einfährt.

Da werden die Kaufleute nervös. Es könnte ja das Kapital abwandern – zum Konkurrenten, der eine noch bessere Rendite einfährt.

Da fangen die Kaufleute an, zu rechnen. Wo könnte man einsparen? Könnte man noch mehr im Ausland fertigen lassen? Wo sind „Einsparpotenziale“? Welche „unrentablen“ Unternehmenszweige legt man am besten still oder stößt sie ab?


Dazu passt dann ganz hervorragend die Erhöhung der Vorstandsgehälter, in einer Zeit, in der ansonsten ständig von „Kostendruck“, „zu hohem Lohnniveau“ etc. die Rede ist. Bemerkenswert ist dabei die Penetranz, mit der den deutschen Lohnempfängern die asiatische Genügsamkeit vor Augen geführt wird. In deutschen Konzernen scheint man sich in den oberen Chargen jedoch selbst erst recht keiner Genügsamkeit verpflichtet.


Dabei gibt es genug Gegenbeispiele.

Ich zitiere hier nur einmal Helmut Becker vom IWK in München:

Ein Vorstand bei Toyota verdient im Schnitt 260.000 Euro, und das bei einem Konzerngewinn um die zehn Milliarden Dollar. Ich glaube, dieses Beispiel brauche ich nicht weiter zu vertiefen.“


Aber die Herren Middelhoff oder Schrempp dürften wohl kaum jemals in die Verlegenheit kommen, einen 1-Euro-Job annehmen und im Schnellrestaurant die Toiletten putzen zu müssen.

Merkwürdigerweise müssen sie sich selbst niemals solchen Fragen der „Lohn-Kosten-Effizienz“ stellen. Man kann über die beiden Herren sicher manches sagen, jedoch steht unstreitig fest, dass während der Zeit, in der sie ihre Konzerne führten, der Wert der Aktien massiv einbrach bzw. im Fall von Arcandor der Konzern sogar in die Insolvenz geführt wurde. Es fällt schwer, hier einen adäquaten Gegenwert zu den massiven Steigerungen der Vorstandsgehälter während der gleichen Zeit auszumachen. „Leistung muss sich wieder lohnen“, dieser Spruch und anderes Geschrei ist allenthalben überall zu hören. Aber welche Leistung soll das sein, und für wen soll es sich eigentlich lohnen?


Aber da sie und andere der elitären Kaste die Spielregeln diktieren, können sie sagen, wo es langzugehen hat. Wenn einem Großkonzern die nationale Politik einer Regierung nicht genehm ist, wenn Steuersenkungen nicht durchgeführt werden, wenn Widerstand gegen Fusionen oder feindliche Übernahmen ausgeübt wird, lässt man ganz klar durchblicken, zu wessen Schaden das sein wird.





Bedingungen der Produktion in Billiglohnländern


Wer über die „Sachzwänge“ der Globalisierung redet, sollte sich einmal die Bedingungen vor Augen halten, zu denen in den Billiglohnländern produziert wird.

Letztendlich können Arbeitnehmer aus den „reichen“ Industrieländern damit nicht

konkurrieren – auch nicht unter Verzicht auf sozialstaatliche Leistungen.


Eine chinesische Wanderarbeiterin in einer Textil- oder Elektronikfabrik verdient monatlich umgerechnet ca. 80 Euro.

Gegenüber Schwellenländern wie Bangladesh, Vietnam o.a. ist das jedoch noch viel; dort liegt das Lohnniveau noch niedriger als in China.

Vor einiger Zeit ist in Bangladesh das Gebäude einer Textilfabrik eingestürzt, weil der Besitzer wild, ohne Baugenehmigung und Statikplan, 2 Stockwerke auf die äußerst gut brummende Fabrik aufgesetzt hat. Es gab etliche Todesopfer, die allerdings längst schon vergessen sind. Ruckzuck wurde eine neue Fabrik hochgezogen, neue Arbeiterinnen fanden sich ebenfalls èn masse, auf einen freien Arbeitsplatz warten Hunderte, wenn nicht Tausende Bewerberinnen.

Trotz der miserablen Arbeitsbedingungen. Trotz Hungerlöhnen und hohem Arbeitsdruck. Einer Näherin, die einen kleinen Fehler macht, wird der verursachte „Schaden“ direkt vom Lohn abgezogen.

Das ist auch von größter Bedeutung, damit der deutsche Kaffeeröster dann das von ihr produzierte T-Shirt um 1 Euro billiger anbieten kann als das Kaufhaus nebenan, welches die Ware aus dem eigentlich auch längst zu teuer produzierenden China bezieht.


Vor einiger Zeit geriet der Sportartikelhersteller Nike wegen Kinderarbeit bei der Herstellung von Sportschuhen in die Schlagzeilen.

Weil man jedoch einen Imageschaden unbedingt vermeiden wollte, wurde eine Kontrollkampagne gegen Kinderarbeit gestartet. Inzwischen reisen firmeneigene Kontrolleure durch die Herstellerländer und inspizieren die Fabriken. Erklärtermassen können jedoch nicht alle Zulieferer und beauftragte Subunternehmer kontrolliert werden. Außerdem werden solche Kontrollen vorangekündigt. Die gröbsten Auswüchse dürfte man damit vielleicht beseitigt haben.

Am Beispiel „Nike“ ist auch die Wanderung des Kapitals von einem Schwellenland ins andere exemplarisch nachzuvollziehen.

Nachdem in den 60-er Jahren noch in Japan produziert wurde, boten sich dann Südkorea und Taiwan als Lohnpreisbrecher an. Als in Seoul jedoch die Militärregierung gestürzt wurde und die Arbeiter zunehmend gewerkschaftlich organisiert waren, stiegen dort ebenfalls die Stundenlöhne auf ein astronomisches, maßloses Niveau von 2 Dollar, unerträglich für den Produzenten.

Folgerichtig zog Nike weiter. Nun boten sich China und Indonesien als Produzenten an, später aber auch Vietnam, weil dort die Monatslöhne mit ca. 30-40 Euro noch einmal niedriger liegen.

Für ein Paar Turnschuhe betragen die Arbeitskosten allenfalls 3% des teuren Endverkaufspreises. Trotzdem ist es im Rahmen der Profitoptimierung anscheinend von essentieller Bedeutung, ob die Stundenlöhne 10 oder 14 Cents betragen. Eine Fertigung in den USA oder in Europa wäre da bei Stundenlöhnen von ca. 10 Euro oder mehr erst recht völlig indiskutabel.

Trotzdem kann oft nicht einmal der Billigarbeiter auf Dauer gegen die automatisierte Produktion konkurrieren. Auch in den Billiglohnländern nimmt die Automatisierung zu.


In China ist das Ansteigen der Umweltverschmutzung sprichwörtlich, auch wenn journalistische Recherchen über dieses Thema mit eiserner Hand dort von staatlicher Seite unterbunden werden.

Wenn ein Fluss derart verseucht ist, dass Hunderte Bewohner der Umgebung jedes Jahr an Krebs erkranken, wenn wieder einmal ein Kohlebergwerk einstürzt und 50 Minenarbeiter lebendig im Flöz begraben werden: was macht das schon?

Was macht es schon, wenn in einer Batteriefabrik die Arbeiterinnen wegen nicht vorhandenem Arbeitsschutz lebensgefährlich mit Cadmium vergiftet werden?

Was machen da schon ein paar „Fresser“ weniger, wenn draußen Tausende andere auf die Jobs warten?

Umwelt- und Arbeitsschutz sind in den Augen der Produzenten überflüssiger Luxus, der die „Preise kaputtmacht“.


Die Globalisierung und der mit ihr einhergehende Preisdruck fördern Arbeits- und Lebensbedingungen, die eigentlich bereits als überwunden galten:


  • die Entwicklung eines neuen „Proletariats“

  • Landflucht

  • Kinderarbeit

  • Umweltverschmutzung

  • Rohstoff-Raubbau

  • Arbeit unter härtesten Bedingungen, ohne Arbeitsschutzvorschriften

  • soziale Unsicherheit, Revolten, Bürgerkriege


Das ist letztendlich genau das Niveau, dem wir uns nach Meinung derjenigen Neoliberalen, die uns täglich das Schreckgespenst angeblicher „spätrömischer Dekadenz“ an die Wand malen, anzupassen haben.



Neoliberalismus und Steuern


Kennzeichnend für den Neoliberalismus ist die ablehnende Haltung zu Steuern.

Da der Staat sich fast vollends aus dem Wirtschaftsleben herauszuhalten habe, da also Staatsinvestitionen nicht mehr stattfinden sollen, gebe es auch kaum noch einen Grund für die Erhebung von Steuern.

Das Wort „Steuern“ allein hat für den Neokonservativen bereits einen fast schon obszönen Beigeschmack. Es gibt im Mutterland des Neoliberalismus, in den USA, z.B. im Kongress ganze Heerscharen von Lobbyisten, die tagtäglich nur für Steuersenkungen jeder Art kämpfen und jeden kleinsten Erfolg feiern wie das Ende des 2. Weltkriegs. Jemand, der in dieser Atmosphäre etwa die moderate Anhebung der Steuern auf hohe Einkommen fordert, um die immense Staatsverschuldung des US-Haushalts im Zuge der Coronakrise auch nur etwas zu mildern, gilt als ein fast noch schlimmerer Verbrecher wie ein Kinderschänder. Die Obama-Regierung war durch die erheblichen neokonservativen Widerstände paralysiert, sie hatte keine Chance, eine vernünftige Fiskalpolitik einzuleiten. Unter Donald Trump setzt sich dies eher verstärkt fort. Es bleibt bis heute völlig offen, wie Trump seine vollmundigen Wahlversprechen (Steuersenkungen, Erhöhung des Verteidigungshaushalts u.v.m.) gegenfinanzieren will. Ihm droht nun offenbar zum Herbst 2017 hin eine erneute Kabbelei um eine mögliche Haushaltssperre, wie es sie schon mehrfach unter Obama gab. Letztendlich schaufeln sich die Neokonservativen mit der wachsenden Verschuldung ihr eigenes Grab, und das wird heißen: Dollar-Crash und Währungsreform. Inzwischen gießt die US-Notenbank weiteres Benzin ins Feuer, indem sie die eigenen Staatsanleihen mit frisch gedrucktem Geld aufkauft – damit das AAA-Rating für die amerikanischen Staatspapiere nicht in Gefahr gerät. Damit muss der Abwertungsdruck auf den Dollar zwangsläufig noch zunehmen. Aber lieber nimmt man einen totalen Crash der Währung in Kauf, bevor man eine sinnvolle Steuerpolitik fährt, die der angespannten Lage im Staatshaushalt wenigstens ansatzweise Rechnung tragen und die Reichen und Superreichen gerecht an den Lasten der Finanzkrise beteiligen würde.


Man kann froh darüber sein, dass die unsinnigen Steuersenkungsforderungen der FDP in Deutschland politisch nicht durchsetzbar waren. Diese Forderungen sind angesichts der extremen Verschuldung der öffentlichen Haushalte anachronistisch. Die vergangenen Experimente haben in den USA, aber auch in Deutschland nachhaltig gezeigt, dass eine Senkung der Spitzensteuersätze sowie die Abschaffung der Körperschaftssteuer etc. beileibe keine Garantie für mehr Beschäftigung bringt. Angesichts der Finanzkrise, die nach wie vor nicht wirklich ausgestanden ist, und die immer noch einmal neue unliebsame Überraschungen bieten kann, ist nun wirklich nicht die Zeit für Steuersenkungen, von denen dann vor allem der „kleine Mann“ kaum etwas hat, mit denen jedoch Zahnärzte, Wohnungsmakler und Hoteliers entlastet werden sollen.


In Deutschland haben wir eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur. Verkehrsnetz, Umweltschutz, Wasserversorgung, Bildungswesen etc. werden von Steuergeldern bezahlt, was nach streng ausgelegter neoliberaler Wirtschaftstheorie eigentlich gar nicht sein dürfte.

Wenn in Westdeutschland der Wiederaufbau nach dem Ende des 2. Weltkriegs nach Rezepten des Neoliberalismus („Null Steuern“, „Null Staatsinvestitionen“) durchgeführt worden wäre, würden wir jetzt auf dem Stand von Argentinien oder den Philippinen leben.

Unbeschadet natürlich von der Tatsache, dass wir uns in Deutschland einen teuren Wasserkopf an bürokratischer Verwaltung leisten, der weltweit seinesgleichen sucht, wäre in Ostdeutschland der Aufbau der 40 Jahre lang verschluderten Infrastruktur ohne massive Staatsinvestitionen gar nicht denkbar gewesen.


In Großbritannien hatte die Thatcher-Regierung während der 80-er Jahre u.a. das staatliche Gesundheitswesen systematisch verlottern lassen. Die Blair-Regierung hatte dann erkannt, dass man im internationalen Vergleich weit zurückgefallen war, und sie haben dort mit staatlichen Milliarden-Pfund-Programmen in den Neubau von Krankenhäusern und Ambulatorien investiert. Davon kann nach der Finanzkrise keine Rede mehr sein, die konservative Cameron-Regierung hat ein eisenhartes Sparprogramm auflegen müssen. Steuererhöhungen für Besserverdienende sind jedoch dort nach wie vor kein Thema.


In den USA wurden seit dem Ende der Clinton-Administration die Steuereinnahmen drastisch zurückgefahren. Damit der US-Staat trotzdem noch seinen Aufgaben nachkommen kann, verschuldet er sich immens.


Die neoliberalen Wirtschaftstheoretiker geben nicht zu, dass es etliche staatliche Aufgaben gibt, aus denen sich der Staat selbst in den USA nicht so einfach davonstehlen kann, und die eben nicht ganz auf die Privatwirtschaft verlagert werden können.

Weil eben die Privatwirtschaft in einer globalisierten Welt nur noch das bezahlt und finanziert, was Maximalrendite abwirft.

Privat finanzierte Schulen, Autobahnen, Eisenbahnen, Krankenhäuser, Kläranlagen etc. werden jedoch keine Traumrenditen von 10% und mehr abwerfen, wie sie sich der Kapitalanleger wünscht. Daher werden sich Privatisierungen hier nur teilweise selbst tragen können. Auf einem Teil dieser Aufgaben wird letztlich der Staat immer sitzen bleiben, oft wird er solche privaten Träger bei anstehenden Großinvestitionen teilweise subventionieren müssen.

Es gibt gerade in den USA Anzeichen dafür, dass viele private Unternehmen derzeit versuchen, die firmeneigenen Pensionsfonds einzufrieren und unter der Drohung der Insolvenz dem Staat teilweise die Kosten für bestehende Verpflichtungen aufzuladen. Da die Altersversorgung in den USA zu einem großen Teil Privatangelegenheit ist, hat dieser Trend noch ein ungeahntes Risikopotential für den US-Staat, der demnächst vielleicht im zunehmenden Masse mit Notprogrammen seine Rentner alimentieren muss.


Spätestens seit der Finanzkrise befällt den Bürger ein großes Unbehagen, wenn er seine Altersvorsorge versicherungstechnisch in die Hände von Kapitalversicherungen legen soll, die dann vielleicht sein Geld an den Finanzmärkten „Gassi führen“, dort mit irgendwelchen undurchschaubaren Ramschderivaten Casino spielen und dann vielleicht bei der nächsten Finanzkrise über die Wupper springen. Ist das ausgeschlossen? Nicht wirklich, denn schließlich ist in den USA der gewaltige Versicherungskonzern AIG „einfach mal eben so“ in Insolvenz gegangen. Kann man für die Zukunft garantieren, dass dann immer der Staat einspringt und die Guthaben rettet? Wie lange kann der Staat sich das leisten?


Das beginnt der Bürger zu spüren, und die jahrelangen Predigten einer angeblich viel effizienteren und besseren privat finanzierten Altersvorsorge beginnen, zu verblassen. Man traut dem staatlichen Rentensystem nicht, aber dem privaten Versicherungssystem traut man eigentlich fast noch weniger.


Während es sicher richtig ist, dass in einer hochentwickelten Infrastruktur der Staat zur Vermeidung von Verdrängungseffekten zurückhaltender mit Investitionen umgehen sollte, sind massive staatliche Investitionen zum Aufbau unterentwickelter Länder eigentlich ein absolutes Muss. Ohne Steuereinnahmen werden die Schwellenländer letztlich nie eine Chance für eine positive wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung erhalten. Diese Tatsache wird vom Neoliberalismus konsequent abgeleugnet.

Verheerend wirkt sich in diesem Zusammenhang immer wieder der Druck seitens Weltbank und IWF auf Entwicklungsländer zur Reduzierung ihrer Staatsausgaben aus. In Ländern mit sowieso schon hohen Armutsquoten, hohen Zahlen an Analphabeten wirken sich Senkungen der Staatsausgaben, beispielsweise Einfrieren des Bildungsetats oder Streichen etwa gezahlter Subventionen auf Grundnahrungsmittel oder Benzin, katastrophal aus und resultieren nicht nur direkt in Massenarmut und Hunger, sondern berauben das betreffende Land auf Dauer jedweder Zukunftschancen.


Fast könnte man Überlegungen anstellen, ob nicht ein gewisses System dahintersteckt. Man will sich keine unliebsame Konkurrenz schaffen, sondern hält den Handelspartner in ständiger Armut, in der er leichter kontrollierbar und ausnutzbar ist.

Um ihn vorzubereiten auf den großen Ausverkauf, auf die Organspende, die nach dem totalen Infarkt unvermeidlich fällig wird.


Auf den Philippinen z.B. kann derzeit billigst produziert werden. Ein durchschnittlicher Industriearbeiter verdient dort ca. 100 – 150 Euro im Monat. Die Unternehmen zahlen niedrigste bis gar keine Steuern.

Auf diese Weise kommt zwar Geld ins Land. Das reicht jedoch kaum, um dauerhaft einen Entwicklungsprozess für das Land in Gang zu bringen.

Der Großstadtmoloch Manila z.B. bräuchte dringend erhebliche Investitionen in die Infrastruktur.

Es fehlt an tragfähigen Verkehrswegen. Jeder, der Manila kennt, weiß, was ich meine. Wer innerhalb Manilas auch nur 10 km zurücklegen muss, quält sich teilweise eine Stunde in einem Taxi oder „Jeepney“ durch ein Sodom und Gomorrha aus Beton, Gestank und Abgasen. Der Verkehr auf den unzureichend ausgebauten Straßen fließt bestenfalls im Schritttempo.

Es gibt in der Vielmillionenstadt lediglich drei kurze Abschnitte einer Hochbahnlinie, es fehlt ein ausgebautes Autobahnnetz. Lediglich ein sehr kurzer Abschnitt einer mautpflichtigen Prestige-Autobahn führt ein paar Kilometer südöstlich aus der Metropole Manila heraus. Jenseits des Autobahnendes quält sich jedoch ein Verkehr, der zahlenmäßig wohl dem unserer A5 oder A7 gleichkommt, über eine zweispurige, zu jeder Uhrzeit hoffnungslos verstopfte Landstrasse weiter durch die Provinz Cavite.

Das Abwassernetz ist unzureichend bzw. nicht vorhanden. Die Abwasserentsorgung Manilas entspricht in weiten Teilen dem Niveau des europäischen Mittelalters in Form von stinkenden, offenen Kloaken. Bei Überschwemmungen droht regelmäßig Seuchengefahr. Allein das Thema „Manila und seine Wasserversorgung“ wäre schon ein lohnendes Thema für eine ganz eigene Abhandlung. Hier wurde auf Druck der Weltbank privatisiert – mit katastrophalem Ergebnis.

Gesundheitsfürsorge können sich nur die wenigsten leisten.

Ein großer Teil der Einwohner ist unzureichend bis gar nicht ausgebildet.

Wer soll jedoch den Aufbau der Infrastruktur bezahlen?

Schulen, Krankenhäuser, Eisenbahn, U-Bahn, Strassen, Kläranlagen etc.?


Die neoliberalen Wirtschaftstheoretiker negieren die Bedeutung des Staates zum Aufbau einer Infrastruktur. Der Grund ist offensichtlich: dazu braucht es Steuergelder.

Wenn der Neoliberale das Wort „Steuern“ hört, zieht er jedoch ein böses Gesicht und nimmt Reißaus.

Steuern will er nicht, Steuern zahlt er nicht. Basta.

Vielmehr sei das alles Aufgabe der Privatwirtschaft.

Wer aber sollte in einem Land wie den Philippinen die öffentliche Infrastruktur aufbauen, wenn nicht der Staat?

Der Staat hat jedoch nicht das Geld dazu. Folglich tut niemand etwas.

An einem guten Bildungsstandard der Einwohner haben die neoliberalen Pragmatiker und Investoren kein Interesse. Im Gegenteil – damit würde man sich nur intelligentes und aufmüpfiges Potenzial heranzüchten.

Gesundheitsfürsorge? – Luxus.

Wer krank ist, kann nicht arbeiten. Das macht nichts, es stehen 100 andere auf der Strasse, die liebend gern den Job des Kranken übernehmen. So einfach ist das.

Das ist neoliberale Gesundheitsfürsorge in den Billiglohnländern.

Aufbau eines Verkehrsnetzes? – Zu teuer. Private Investoren werden Mühe haben, das investierte Geld wieder hereinzubekommen. Autobahnmaut wird dort von den sowieso mageren Einkommen ungern gezahlt, eher werden die Landstraßen weiterbenutzt, gleichgültig, wie verstopft sie sind. Private Investoren, um ein Schnellstraßen- bzw. Eisenbahnnetz, geschweige denn eine Abwasserkanalisation aufzubauen, finden sich kaum.


Und da es nach neoliberaler Überzeugung nicht Aufgabe des Staates ist, für eine entsprechende Infrastruktur zu sorgen, werden am liebsten keine Steuern gezahlt.

Sollte eine Regierung eines Schwellenlandes die ausnehmende Frechheit besitzen, Steuern von den Unternehmen zum Aufbau einer Infrastruktur zu fordern, wird die Produktion verlagert.


Das ist die konsequente Verwirklichung des Neoliberalismus in der Globalisierung.


Arbeit gibt es, aber nur noch für Hungerlohn.

Steuereinnahmen – Fehlanzeige.

Soziale Absicherung – zu teuer.

Bildung? – Braucht man nicht.

Renten – wofür? Wer nicht mehr arbeiten kann, soll „sozialverträglich ableben“.

Umweltschutz? – Überflüssiger Luxus.

Gewerkschaften? – Knüppel aus dem Sack.


Noch können sich die Industrieländer demgegenüber einen relativ hohen Lohn- und Sozialstandard leisten.

Es fragt sich: wie lange noch?

 Weiter in Teil 5.

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