(c) Andreas Klisch, Germany, 2021

 

Blog zum Neoliberalismus

 

Teil 5: Globalisierung, Neoliberalismus und „Rossapfel-Theorie“


Oft hört man den Einwand: es ist keine Schande reich zu sein, und die Reichen sind durch ihre extensive Lebenshaltung Auftraggeber für Dienstleistungen und teure Waren.

Vielleicht konnte sogar bis in die 80-er Jahre hinein dieser Synergieeffekt des Reichtums auf die Volkswirtschaft tatsächlich beobachtet werden.


Inzwischen scheinen die „Superreichen“ der Welt jedoch Vermögen in astronomischen Größenordnungen zu sammeln, die in keinem gesunden Verhältnis mehr zur geleisteten „Arbeit“ stehen. Die Vorstandsvorsitzenden amerikanischer Großunternehmen, besonders in der Finanzbranche, kassieren teilweise Jahresgehälter über 100 Millionen Dollar. Der Chef des notleidenden Autokonzerns GM bekam zur Zeit der Finanzkrise ein Luxusappartement zur Verfügung gestellt, nebst eigenem Butler. Während der gleichen Zeit musste GM Hunderttausende Stellen abbauen und stand am Rande der Insolvenz.


Die Vorstände der in Insolvenz gegangenen Investmentbank Lehman Brothers haben bis zuletzt dicke Gehälter und Boni kassiert. Die während der schlimmsten Monate der Finanzkrise einsetzende scheinbare Zurückhaltung der Spitzenmanager wurde inzwischen wieder aufgegeben, fast überall steigen wieder die Gehälter und Boni.


Die immer weiter ansteigenden Profite des Großkapitals landen bei einer kleinen Anzahl von Superreichen, die das Geld für Privatjets, Luxusvillen, Spielcasinos, Ferraris und Luxusuhren ausgeben.

Natürlich werden für die Produktion einer Luxuslimousine Arbeiter beschäftigt. Mit dem selben Geldäquivalent könnten jedoch zehn Mittelklasseautos produziert und ungleich mehr Arbeiter beschäftigt werden. Abgesehen von der Tatsache, dass viele Hersteller solcher Extremluxuslimousinen nicht profitabel arbeiten und von ihren Konzernmuttern zulasten des Gesamtgeschäfts subventioniert werden müssen. Das gilt sowohl für Maybach als auch für Jaguar, Bentley, Rolls-Royce und den VW-Phaeton. Zur Rechtfertigung dieses teuren Unsinns faselt man dann von sogenannten „Synergieeffekten“, die angeblich vom handgegerbten Conollyleder, Wurzelholz, Klavierlack und V12-Biturbo-Motoren auf den Mutterkonzern ausstrahlen sollen. Da wird es fast schon regelrecht esoterisch. Und das, obwohl man doch sonst immer überall so nüchtern den Rotstift ansetzt und bei jedem Bleistift und bei jeder innerbetrieblichen Toilettenbürste nach „Einsparpotenzialen“ sucht.


Mit dem Geld, das der Multimillionär für sein Wohnanwesen bezahlt hat, würden Normal-sterbliche teilweise zehn Einfamilienhäuser aufstellen können.

Mit dem Geld, das der Gulfstream-Privatjet in Form von Kerosin beim Wochenendtrip durch die Triebwerke pustet, könnten zehn Urlaubsreisen für Durchschnitts-Arbeitnehmer bezahlt werden.

Globalisierter Reichtum schafft wenige Arbeitsplätze, vernichtet aber den breiten Mittelstand, der bisher Motor der Volkswirtschaft und Träger der Kaufkraft war.


In diesem Zusammenhang liest man von der sogenannten „trickle-down“-Theorie, zu Deutsch etwas zynisch „Rossapfel-Theorie“ übersetzt.

Damit bezeichnet man den Lehrsatz: wenn es dem Reichen (=dem Pferd) gut gehe, falle mit den Rossäpfeln für die Spatzen auch noch etwas ab.

Auf dieser Basis scheint tatsächlich die moderne Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus zu stehen. Daraus bezieht er seine Legitimation.

Nur ist es so, dass ein entscheidender Faktor mit diesem vereinfachten Modell unterschlagen wird.

Es wird vergessen, darzustellen, dass es sich beim klassischen Wirtschaftsmodell ursprünglich um einen Kreislauf handelt. Denn es sind letztlich die Lohnarbeiter, die durch ihren Konsum den Unternehmen Einnahmen bringen und damit den Grundstock für die Wertschöpfungskette liefern.


Dieser Kreislauf wird jedoch durch Globalisierung und Neoliberalismus zunehmend aufgebrochen. Es geht nur noch um Profitmaximierung, je weniger Gegenleistung dafür erbracht werden muss, umso besser. Das jahrzehntelang existierende Balancemodell, der gesamte soziale Konsens des ursprünglich (auch in den USA) moderaten, sozial-marktwirtschaftlich orientierten Kapitalismus zerfällt zunehmend.


Wir haben es, ohne es wahrhaben zu wollen, mit einem Rückfall in die finstersten Zeiten des Manchester-Kapitalismus zu tun und bekommen das als „Neoliberalismus“ verkauft, als Heilmittel für die Armut der Welt.


Es ist jedoch so, dass der Neoliberalismus dafür sorgt, dass er seine eigene Basis vernichtet, von der die Wirtschaft lebt: die Kaufkraft.



Neoliberalismus erzeugt globalen Kaufkraftverlust


Der Druck auf die Lohnkosten nimmt ständig zu. Es ist offen, ob die verbleibenden hochqualifizierten Arbeitsplätze sowie die Billiglohnjobs ausreichen, die Volkswirtschaften zu tragen.

Die Einkommen der zunehmend weniger werdenden gutbezahlten Jobs müssen dafür herhalten, die allgemeinen Sozialkosten zu tragen. Eine Arithmetik, die auf Dauer nicht aufgeht.


Bei der ganzen Globalisierungsdebatte und der unseligen Standortdiskussion wird ein Faktor oft unterschlagen:


Kaufkraft


Wer eigentlich soll die Waren kaufen – bei immer mehr Arbeitslosen und Niedrigverdienern in den Industrieländern und Hungerlöhnern in den Schwellenländern?

Die Globalisierung hat einen Verlust an Kaufkraft in den Industrieländern zur Folge.

Neue Kaufkraft in den produzierenden Ländern wird jedoch nicht im gleichen Maß aufgebaut. Daher ergibt sich global ein Verlust an Kaufkraft.

In letzter Konsequenz wird sich dies als hemmender Faktor auf die Globalisierung

und auf das weltweite Wirtschaftswachstum auswirken.


Dass wir es mit einem realen Verlust an Kaufkraft zu tun haben, sehen wir deutlich am Beispiel der USA (auch, wenn es dort kaum jemand zugibt).


Die USA leben derzeit weit mehr noch als die Deutschen in einem Wirtschaftskonstrukt, das wie eine Seifenblase nur auf Pump basiert. Mit einem Außenhandelsdefizit und einer Pro-Kopf-Verschuldung der privaten Haushalte, die ihresgleichen suchen, leben sie jeden Tag über ihre Verhältnisse.

Darüber, und über die Risiken für die Weltwirtschaft, die dadurch heraufbeschworen werden, spricht lieber kein US-amerikanischer Neokonservativer.

Man spricht auch nicht über die Tatsache, dass derzeit der US-Dollar nur durch massive Protektion chinesischer und asiatischer Banken auf dem derzeitigen Stand künstlich hochgehalten wird.

Als vor einiger Zeit (vor der Finanzkrise) eine große koreanische Bank lediglich öffentlich über die Frage meditiert hatte, ob es nicht besser sei, nur einen kleinen Teil der völlig überdimensionierten dort gehorteten Dollarreserven abzustoßen, hatte das bereits einen Dollarcrash zur Folge, der nur mit massiven weltweiten Stützungskäufen wieder abgefangen werden konnte.

Etwas noch viel schlimmeres wird passieren, wenn einer der leitenden chinesischen Funktionäre laut darüber nachdenken sollte, ob es weiterhin sinnvoll ist, den eigenen Währungskurs weiterhin an den Dollar zu koppeln.

Die chinesische Währung Renminbi-Yuan wird derzeit durch künstliche Interventionen chinesischer Banken (überzogene Dollarreserven) und durch Kopplung des Kurses an den Dollar artifiziell niedrig gehalten, um den Export in die USA nicht zu gefährden. Manche Schätzungen besagen sogar, dass die chinesische Währung gegenüber dem Dollar um über 40% (Schätzung des IWF!) unterbewertet ist. Diese Schätzung erfolgte vor der schweren Finanzkrise, seither haben sich die Verwerfungen deutlich verschlimmert.

Eine Aufwertung des Renminbi um rund 2% im Juli 2005 war lediglich ein symbolischer Akt, um die Amerikaner und Europäer zu besänftigen.

Der Renminbi ist derzeit nicht frei handelbar. Würde er morgen freigegeben, zu freien Wechselkursen, würde der US-Dollar am selben Tag den schlimmsten Crash seiner Geschichte erleben.


Wenn dazu noch der Dollar gegenüber dem Euro abgewertet wird, drückt auch das wiederum die eigentlich sowieso schon unterbewertete chinesische Währung künstlich noch einmal mit herunter und erhöht auf diese Weise noch den Aufwertungsdruck des Renminbi.


Diese Manipulationen sind lediglich dazu gut, um künstlich die Tatsache zu kaschieren, dass die Äquivalenzeinkommen in den USA abnehmen, und um das steigende Außenhandelsbilanzdefizit der USA künstlich gegenzufinanzieren.

Durch die Globalisierung hat sich insbesondere in den USA, viel mehr noch als z.B. in Europa, ein realer Verlust an Kaufkraftparität eingestellt, der zur Zeit lediglich durch die Dollarhegemonie kaschiert wird.


Die USA kommen besonders im Zuge der Finanzkrise langsam in eine Lage, in der sie das Außenhandelsdefizit gegenüber der Euro-Zone nicht mehr decken können. Daher die einseitige Dollar-Abwertung gegenüber dem Euro, was quasi eine Notbremse gegen die Importe aus der EU darstellt. Allerdings hat im gleichen Zug der Euro ebenfalls an Wert verloren, angesichts der Stützungsaktionen im Rahmen der Finanzkrise. Auf diese Weise hat sich ein Abwertungswettlauf entwickelt. Das amerikanische Defizit wird über den künstlich niedrig gehaltenen Renminbi und über weltweit überdimensionierte Dollarreserven auf Pump finanziert. Ein zweifelhaftes Vabanque-Spiel, das nicht dauerhaft ohne Folgen bleiben kann.


Der Dollarkurs und damit die US-amerikanische Kaufkraft sind abhängig vom Wohlwollen japanischer, aber auch koreanischer und chinesischer Großbanken.

Umgekehrt sind die asiatischen Länder abhängig vom künstlich gestützten Dollar, ohne den die Exporte in die USA nicht so reichlich fließen würden.


Durch den festen Wechselkurs des Renminbi hat Peking die Amerikaner in Ketten gelegt.

Eine fatale Symbiose.

Noch nie in ihrer Geschichte waren die USA wirtschaftlich so an einen fremden Wirtschaftsraum gefesselt – ohne es freilich wahrhaben zu wollen. Washington ist regelrecht in eine Falle getappt. Aber man hat es ja auch nicht anders haben wollen. Ein fester Wechselkurs zwischen Dollar und Renminbi, also etwas, was den neoliberalen, ureigenen Prinzipien diametral entgegenläuft, wurde im Mutterland des Neoliberalismus aus Gründen der Opportunität akzeptiert, um der eigenen Bevölkerung die Tatsache der sinkenden Kaufkraftparität des Dollars vertuschen zu können. Mit den Folgen muss Washington jetzt zähneknirschend leben.


Ein ganz spezieller Widerspruch, der aber auch die amerikanische Verzweiflung illustriert, liegt im Vorwurf Washingtons an Peking, China betreibe Währungsmanipulationen am Renminbi, zulasten des Dollars. Die Erklärung, wie man Manipulation mit einer Währung betreiben kann, deren Wechselkurs seit über 10 Jahren fest an den Dollar gekoppelt ist, blieb man freilich wohlweislich schuldig. Dabei müsste Washington Peking eigentlich regelrecht dankbar sein, für die Stützung des Dollars durch die immensen Reserven chinesischer Banken.


Gerade das ist das Frappierende an der Globalisierung. Es entwickeln sich interkontinentale Abhängigkeiten über Distanzen hinweg, die auf den ersten Blick für den Normalbürger nicht sichtbar sind, und die von Politik und besonders den amerikanischen Mainstream-Massenmedien systematisch totgeschwiegen werden. Die USA und China sind wirtschaftlich zu siamesischen Zwillingen zusammengewachsen, deren Trennung beide Teile tödlich bedrohen würde.

Eine siamesische Zwillingsbindung, die ursprünglich von Washington mit Sicherheit nicht so angedacht war, und die es jetzt außenpolitisch regelrecht von China abhängig macht. China wird dadurch in die Lage versetzt, außenpolitischen Forderungen Washingtons mit einem eleganten Lächeln zu begegnen und sich gewisse Freiheiten herauszunehmen, die anderen, schwachen Ländern von den USA beileibe so nicht zugestanden würden.

Auf diese Weise hat China überhaupt erst die benötigte nationale Handlungsfreiheit, die es braucht, um seine eigene Wirtschaft und Infrastruktur hochzubringen. Was auch mit Sicherheit das chinesische Kalkül wesentlich beeinflusst hat.


Die amerikanischen Neokonservativen lassen ebenso die Tatsache lieber unerwähnt, dass inzwischen die Auslandsverschuldung der USA höher ist als die Erträge, die durch Auslandsinvestitionen in Form von Renditen in die USA zurückfließen. Das gab es seit 90 Jahren nicht mehr. Auch dieser Umstand wird nicht dauerhaft ohne Folgen für die Kaufkraft der US-Amerikaner bleiben. Der US-Dollar ist spätestens seit der Finanzkrise erheblich unter Druck, und der Druck wird steigen. Es ist eine Frage der Zeit, wann der Kessel platzt.


Neoliberalismus und Deindustrialisierung


Im Rahmen der jüngsten „Heuschreckendiskussion“ fällt immer wieder als Negativbeispiel mit Recht der Name Grohe, des Weltmarktführers für Badarmaturen.


Der britische Finanzinvestor, der dieses eigentlich funktionierende mittelständische Unternehmen aufkaufte, brachte nur sehr wenig Eigenkapital in den Kauf ein. Als Ausgleich dafür ließ er die gekaufte Firma einen zusätzlichen Kredit aufnehmen und entnahm darüber hinaus einiges vom vorhandenen Eigenkapital.


Diese Technik wird in Finanzkreisen als „Bootstrapping“ bezeichnet. Man lässt die Firma, die man gerade gekauft hat, ihren eigenen Kauf bezahlen, indem man im Namen eben dieser Firma einen hohen Kredit aufnimmt. Anschließend bürdet man derselben Firma die Lasten für Zinsen und Tilgung auf und beschäftigt das teure Beratungsunternehmen McKinsey damit, Konzepte zu entwickeln, wie durch Outsourcing ein ursprünglich gesundes, jetzt krankes Unternehmen wieder gesundgeschrumpft und „fit for future“ gemacht werden kann.


Und alle verdienen sie herrlich mit an der Sache. Der Finanzinvestor, der seinen Kapitalgebern eine stattliche Rendite verschafft; die Schweizer Bank, die das Geld für die Kreditaufnahme beschafft hat; das Beratungsunternehmen, das seinerseits von den Fehlern hochbezahlter Manager profitiert und anschließend die angeblich einzig richtigen Konzepte empfiehlt: Einsparungen, Outsourcing auf Kosten der Mitarbeiter – nicht etwa zulasten der Investoren.


An vielen Stellen wird das Phänomen beklagt, dass in der globalen Weltwirtschaft viel zu viel Geld, zu viel Kapital unterwegs sei. Es wird jedoch wohlweißlich aus einem gewissen Interesse heraus unterlassen, einmal darzustellen, woher das viele Geld denn nun stammt. Denn dieses Geld stammt z.T. aus der Vernichtung von Unternehmenswerten, die von vergangenen Generationen aufgebaut wurden.


Die neoliberale Finanzwirtschaft besonders in Form von Hedge-Fonds ist fixiert auf finanzielle Wertschöpfung, vernichtet jedoch Unternehmenswerte. Sie fördert die Deindustrialisierung und zehrt von den Wertschöpfungen vergangener Jahrzehnte. Das dadurch zusätzlich geschaffene Kapital wird zunehmend weniger in neue Produktionsverfahren investiert, sondern mehr und mehr in Private-Equity-Fonds und undurchsichtigen Finanzderivaten angelegt, um mit diesem neuen Kapital noch mehr Werte vernichten zu können.


Die Politik hat für dieses Problem, falls es denn überhaupt zur Kenntnis genommen wird, lediglich ein Achselzucken übrig. Da man sich darüber hinaus den wirtschaftspolitischen Konzepten des Neoliberalismus verschrieben hat, und da man auf jedes Hüsteln aus Investorkreisen demütig kuscht und den Schwanz einzieht, scheut man sich davor, das einzig richtige zu tun. Nämlich das, was asiatische Länder immer schon getan haben, und wodurch diese ihren Aufschwung ermöglicht haben: den Daumen auf Finanzinvestitionen aus dem Ausland zu halten und endlich den Kapitaltransfer zu regulieren.


Beispielsweise wäre es eine begründbare Forderung, bei Firmenaufkäufen eine Mindestdeckung aus Eigenkapital durch den Käufer gesetzlich vorzuschreiben. Wenn der britische Finanzinvestor auch nur 50% des Kaufpreises für die Firma Grohe aus Eigenkapital hätte bestreiten müssen, wäre der Kauf unter diesen Umständen sicher nicht erfolgt. Ein funktionierendes mittelständisches Unternehmen wäre nicht einem international operierenden Finanzhai zum Opfer gefallen.


Aber so etwas widerspricht den elementaren, hochheiligen Maximen des freien Kapitalverkehrs. Lieber lässt man auf dessen Altar die mittelständische Wirtschaft zugrundegehen.


Auch gegen eine staatliche Aufsicht über die sakrosankten privaten „Rating-Agenturen“, die mit für die katastrophalen Folgen der Finanzkrise verantwortlich sind, weil sie ganz bewusst mithilfe dubioser, gut bezahlter Gefälligkeitsgutachten undurchschaubare Konstrukte von Ramschderivaten mit AAA-Spitzen-Ratings benotet haben, wehren sich besonders die US-Amerikaner mit Händen und Füßen. Auch nach der schweren Finanzkrise geht alles seinen gewohnten Gang, man geht einfach zur Tagesordnung über, als sei überhaupt nichts geschehen. Die Rating-Agenturen lassen sich weiterhin nicht in die Karten schauen, sie geben sich weiterhin als unantastbare heilige Kühe, deren Urteile apodiktische Geltung haben. Wie kommt es eigentlich, dass einerseits die amerikanischen Staatsanleihen, die nur noch durch massive Stützungskäufe der Federal Reserve mit frisch gedruckten Dollars gehalten werden können, nach wie vor mit Triple-A-Spitzenratings versehen werden, während die Staatsanleihen der Euro-Länder Griechenland, Portugal, Irland etc. abgewertet werden?


Hier ist der gewaltige hegemonial-politische Einfluss des amerikanischen Finanzkartells wieder einmal nur zu deutlich spürbar. Hieran wird sich erst nach einem Dollarcrash und einer US-Währungsreform wesentlich etwas ändern. Die USA sind gerade dabei, ihre Rolle als führende globale Wirtschaftsmacht einzubüssen. Der endgültige Schritt dazu, nämlich in Form der Bauchlandung des Dollars und einer Währungsreform, wird gerade noch herausgezögert, so gut es irgend geht. Das amerikanische Finanzkartell hat ersichtlich eine Höllenangst vor diesem Schritt, der jedoch zwangsläufig kommen muss. Noch nie in der Wirtschaftsgeschichte haben derartige Verwerfungen, wie wir sie jetzt beobachten, anders geendet als in einer Währungsreform.


Neoliberalismus und Investition


Die Ertragseinkünfte fließen immer weniger in Form von Investitionen an die eigene Volkswirtschaft der reichen Industrieländer zurück.

Nun wird dort investiert, wo die höchsten Renditen zu erwarten sind.

Und das ist eben in zunehmendem Maß: Investition in Billiglohnländern.

Gerade dort wird jedoch nur in die Produktion, ungern aber in die Infrastruktur investiert, da keine oder nur wenig Steuern gezahlt werden.

Der Kreislauf, der vielleicht bis in die 80-er Jahre hinein noch bestand, ist aufgebrochen.


Es wird nur soviel investiert, wie unbedingt sein muss. Je mehr Länder sich auf dem Billiglohnmarkt anbieten, desto erpressbarer werden die betreffenden Regierungen in bezug auf Zugeständnisse bezüglich Steuern und Zulassung von Gewerkschaften.

Das Aufbrechen nationaler Schranken, der „freie Welthandel“, wird als Instrument benutzt, sich über nationale Politik und Hemmnisse hinwegzusetzen.


Nicht die Gedanken sind frei. Das Finanzkapital ist es.

Es kann bestimmen, wohin es geht. Es kann Politik machen, Meinung bilden.

Passt mir Deine Zeitung nicht: ich kaufe sie und feuere den Chefredakteur.

Es kann erpressen, wenn es sein muss: gibst Du mir keinen Steuererlass, verlagere ich die Produktion nach China, nach Feuerland oder Kirgisien.

Damit wird jedoch Zug um Zug die Basis vernichtet, von dem es lebt.

Ein Millionenheer Hartz-IV-Arbeitsloser und 1-Euro-Jobber kann keine Mittelklasse-PKWs im Wert von 30000 Euro mehr kaufen, sich keine Urlaubsreisen und Mobiltelefone mehr leisten, keine Häuser mehr bauen.

Von den wenigen Reichen, die sich dann immer noch das Wellness-Hotel-wochenende im Wert von 4000 Euro leisten können, kann eine Volkswirtschaft nicht existieren.


Ganz zu schweigen von der chinesischen Wanderarbeiterin, die für das Wohl des Investors für 60 Euro monatlich in der Fabrik schuftet. Sie wird wohl kaum jemals in den Genuss kommen, sich einen der DVD-Player leisten zu können, den sie selbst mit herstellt.


Tatsächlich könnte es so kommen, dass es global gesehen immer weniger „Normalverdiener“ gibt.

Die Globalisierung fördert die Reichen und Superreichen. Alles andere könnte den Bach hinuntergehen.


Nach Statistiken der Weltbank verfügten im Jahr 2001 weltweit ca. 1,1 Mrd. Menschen (21% der Weltbevölkerung) über weniger als 1 US-Dollar in lokaler Kaufkraft pro Tag und galten damit als extrem arm. 1981 waren es noch 1,5 Mrd. Menschen, damals 40 % der Weltbevölkerung; 1993 1,314 Mrd. Menschen entsprechend 29 %). Das hört sich zunächst einmal gut an, würde sich jedoch bei einer Inflationsbereinigung des entsprechenden 1-Dollar-Referenzwertes sehr schnell relativieren. Sicherlich hatte 1981 der Dollar eine höhere Kaufkraft als 2001; nämlich mindestens die doppelte. Diese Tatsache wird in der vielzitierten Weltbank-Statistik wohlweislich verschwiegen.
Wenn man – inflationsbereinigt – die Armutsgrenze bei zwei US-Dollar pro Tag ansetzt, gelten heute insgesamt 2,7 Milliarden Menschen und damit fast die Hälfte der Weltbevölkerung als arm. Erinnern wir uns: 1981 waren es 40 Prozent.

Man kann nun vielleicht diese Zahlen noch etwas hin- und herdrehen. Die TV-Bilder aus Afrika und anderen armen Regionen der Welt sprechen jedoch eine nur zu eindeutige Sprache. So oder so ist ein globaler Fortschritt nicht wirklich erkennbar. Grund dafür ist sicherlich nicht zuletzt die Bevölkerungsexplosion in den armen Ländern. Jedoch ist derzeit nicht erkennbar, dass die Globalisierung an dieser Situation irgendetwas zum Positiven geändert hätte. Der ehemalige Bundespräsident Köhler hatte schlichtweg die Unwahrheit erzählt. Er hat mit einem ebenso billigen wie miesen statistischen Taschenspielertrick gearbeitet, indem er Zahlen aus einer nicht inflationsbereinigten Statistik verwendet hat. Nicht umsonst kennt inzwischen fast jeder Bürger den schönen Spruch: „Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“ Dienstbeflissen wurde Herr Köhler trotzdem von Presse und Fernsehen fast durch die Bank unwidersprochen zitiert.


Nach dreißig Jahren praktizierter neoliberaler internationaler Wirtschaftspolitik ist nicht erkennbar, dass das Gros der Weltbevölkerung in irgendeiner Form vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert hätte.

Im Gegenteil. Der Aufschwung, sofern vorhanden, kommt immer weniger Auserwählten zugute.

Die „trickle-down“-Theorie, dass mit der Globalisierung der allgemeine Reichtum auch der ärmeren Länder gefördert werde, ist nicht bewiesen.

In China, Indien und anderen Ländern geht es zwar wirtschaftlich aufwärts, jedoch hat das Gros der Bevölkerung zumindest derzeit keinen gerechten Anteil daran. Dass es dort überhaupt aufwärts geht, liegt am geopolitischen, aber auch kulturellen Vorteil dieser Regionen, und daran, dass die Asiaten ihren Handlungsspielraum rücksichtslos ausnutzen und sich über die Dogmatik des Neoliberalismus hinwegsetzen, wo es eben geht.


In Afrika gibt es z.T. Stillstand bis Rückschritt, was die Gefahr ständiger Revolten und einen hohen Migrationsdruck bedeutet. Jahr für Jahr sterben Tausende Afrikaner während der abenteuerlichen Versuche, von Westafrika aus in kleinen Nussschalen über den offenen Atlantik die kanarischen Inseln zu erreichen, bzw. über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen. Der ehemalige lybische Staatschef Ghaddafi drohte kaum verhohlen der EU, dass er Millionenzahlungen erwarte, um den Ansturm afrikanischer Flüchtlinge auf die „Festung Europa“ an den lybischen Küsten weiterhin aufzuhalten. Die italienische Regierung hatte ihm einen privaten Luxus-Eisenbahnzug „zum Jahrestag der lybischen Revolution“ geschenkt. Kein Wunder, denn Italien, besonders die Insel Lampedusa, ist von der Flüchtlingsproblematik besonders betroffen. Da nutzte man eine schöne Gelegenheit, um sich bei Ghaddafi lieb Kind zu machen. Die US-Amerikaner haben ihre Grenze zu Mexiko fast ähnlich mit Mauer und Stacheldraht befestigt wie damals die innerdeutsche Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik. Der Unterschied besteht lediglich im fehlenden verminten Todesstreifen sowie im fehlenden Schießbefehl.


Bei weiterer Zunahme der globalen Ungleichgewichte werden diese kosmetischen Maßnahmen sicher kein dauerhaftes Mittel gegen den Migrationsdruck darstellen können. Auch die geschützten, bewachten Wohnreservate der Superreichen werden diesen nicht ein dauerhaftes Wolkenkuckucksheim bescheren. So hat z.B. bereits der Krawall in dem durch private Wachdienste geschützten Luxusreservat in Hollywood nur zu deutlich gezeigt, dass diese privaten Wachdienste einem wütenden Mob nicht standhalten werden. Das wachsende Unbehagen an dem steigenden sozialen Sprengstoff ist den Entscheidungsträgern inzwischen auch allenthalben anzumerken.



Globalisierung und Neoliberalismus fördern Wiederauferstehung des Marxismus und Radikalismus


Wie viel Arbeitslose braucht das Land noch, damit die Stimmung in den radikalen Bereich abrutscht? Bis dass wieder einmal ein gescheitelter Schnurrbartträger mit braunen Hosenträgern sich anschickt, uns zu sagen, wo es besser langgeht?

Fast könnte man meinen, die Eliteklasse dieses Landes möchte gern einmal austesten, wann es soweit ist.

Sie alle tun derzeit herzlich wenig, um zu verhindern, dass der Karren vor die Wand fährt.

Erstaunlich ist da schon das schlechte Abschneiden der radikalen Gruppierungen z.B. bei der NRW-Landtagswahl, in einem Bundesland mit hoher Arbeitslosenrate.

Noch ist die Stimmung nicht umgekippt, noch ist die Bevölkerung resistent gegen radikale Propaganda. Das ist im übrigen nicht zuletzt das Verdienst der sozialen Sicherungssysteme.

Es gibt jedoch für alles einen sogenannten „break-even“, einen Punkt, an dem die Lage umkippt.

Ein gegenwärtiges, konjunkturelles „Zwischenhoch“ ist noch keine Garantie dafür, dass nicht bei der nächsten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise das gesamte soziale Gefüge in Bedrängnis geraten könnte.

Dann werden schnelle, vermeintlich einfache Lösungen gesucht.

Braun oder Rot, ist dann die Frage.


Tatsächlich stellen alle oben aufgeführten Tatbestände die beste Schützenhilfe für den überzeugten Marxisten dar. Der globalisierte Neoliberalismus liefert dem Marxismus anhand des Desasters, das er weltweit fabriziert, die besten Argumente kostenlos frei Haus.


Ein Marxist könnte argumentieren:

Das Kapital bestimmt, wo es lang geht. Es prägt über Stimmungs- und Meinungs-mache in den Medien jahrzehntelang das Bild von den angeblich unausweichlichen Sachzwängen, der Ideologie des ungehemmten, freien Welthandels, mit dem es der ganzen Welt angeblich immer besser gehe.

In Allegorie auf die jüngste „Heuschreckendiskussion“ könnte er ausführen: das Kapital saugt ein Schwellenland ums andere aus. Wenn in einem Land die Lohnkosten durch Anstieg des allgemeinen Entwicklungs-, Bildungs- und Lebensstandards „zu hoch“ geworden sind (obwohl man alles zur Verzögerung eines solchen Schreckensszenarios getan hat), weicht man eben auf das nächste Schwellenland aus.

Hat man es zu bunt getrieben und entwickeln sich Revolten, wird der einheimischen Regierung anheim gestellt, die Aufstände mit geeigneten Mitteln zu befrieden. Gelingt dies nicht dauerhaft, wird ebenfalls die Produktion verlagert.


In gewisser Weise ist der Neoliberalismus ein konsequent verwirklichter, entfesselter, global agierender Kapitalismus. Mit dieser Entwicklung wurden weitreichende Kompromisse, die der Kapitalismus in der westlichen Hemisphäre nach dem zweiten Weltkrieg einging (nicht zuletzt zu seinem eigenen Vorteil), teilweise wieder aufgehoben und rückgängig gemacht.

Der traditionelle Manchesterkapitalismus ließ sich als Konkurrenzprodukt zum internationalen Sozialismus nicht aufrechterhalten. Man hätte jämmerlich den kürzeren gezogen, wenn man nicht nach dem zweiten Weltkrieg einen Ordoliberalismus, einen Zwischenweg zwischen Kapitalismus und Staatssozialismus, entwickelt hätte. Durch diesen goldenen Zwischenweg war das erhebliche globale Wirtschaftswachstum seit dem zweiten Weltkrieg möglich, was im übrigen um einiges höher lag als das, was der Neoliberalismus je erreicht hat. Mit neoliberalen Konzepten wäre der Aufbau Europas nach dem zweiten Weltkrieg niemals möglich gewesen.


Durch den Zusammenbruch des östlichen sozialistischen Modells meinte nun der Kapitalismus, den jahrzehntelang erwarteten endgültigen Beweis seiner Überlegenheit, die eigentlich auf eben dieser Kompromissbereitschaft beruht hatte, erbracht zu haben. Der Gegenpol war mit einem Schlag weggefallen, der Kapitalismus war außer Konkurrenz. Damit hatte er freie Bahn. Dabei ist er allerdings inzwischen entgleist.


Das Scheitern des globalisierten Neoliberalismus könnte in seiner Konsequenz ein bisher ungeahntes Revival des Marxismus hervorrufen. Das fatale dabei ist, dass der Marxismus, was die Analyse der globalen Problematik betrifft, in manchen Teilen sogar recht hat.

Die USA als Verfechter des Neoliberalismus erleben vor ihrer Haustür in Mittel- und

Südamerika ein Wiedererstarken sozialistischer Staats- und Wirtschaftsmodelle. Dort gibt es deutliche Anzeichen dafür, und die USA haben es mit ihrer jahrzehntelang dort betriebenen Hegemonialpolitik auch selbst herausgefordert.

Die klaren Folgen aus der lateinamerikanischen Misere sind neosozialiszische Tendenzen, wie man sie am Beispiel Venezuelas, Mexikos, Boliviens sehr deutlich beobachten kann.

Es gab mehrere Versuche, in Venezuela wieder eine Umkehr zu einer den USA genehmen Politik herbeizuführen. Unter den Bedingungen eines zunehmenden Zusammenschlusses der lateinamerikanischen Staaten ziehen jedoch die alten Rezepte der Einflussnahme nicht mehr.

Lange Zeit hat sich die Chavez-Regierung behaupten können. Allerdings ist es Chavez nicht gelungen, trotz der hohen Einnahmen aus den Ölexporten eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung abseits der Ölindustrie in Gang zu setzen. Seine Trümpfe hatte er propagandistisch äußerst geschickt ausgespielt und düpierte die US-Regierung bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Das jetzige Maduro-Regime steht jedoch unter dem Einfluss der weltweit gesunkenen Ölpreise, die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich nun doppelt. Venezuela steht am Abgrund des Bürgerkriegs.


Die Neoliberalen meinen vielleicht, der Marxismus sei „besiegt“ und „ausgestorben“, bis auf ein paar letzte Bastionen wie Kuba und Nordkorea.

Das könnte sich einmal als Irrtum erweisen.

Wenn die Globalisierung weiterhin die Basis auffrisst, aus der sie sich speist, werden auch auf der Nordhalbkugel viele sich an die „guten alten Ideologien“ erinnern, an eine dialektische „Schwarz-Weiß“-Sichtweise der Welt, die scheinbar alles logisch erklärt und eine Lösung anbietet. Eine Lösung, die dann vielleicht in Form von Bürgerkriegen ausgetragen wird.

Um hinterher einigen wenigen Despoten die Macht in die Hände zu legen, die

vielleicht jetzt schon nur auf ihre Chance warten.


Dabei hat die marxistische Planwirtschaft in der Realität nie funktioniert und wird nie funktionieren. Diejenigen, die 40 Jahre lang in der DDR allerbeste Gelegenheit hatten, die Überlegenheit des Sozialismus im praktischen Alltag unter Beweis zu stellen, tun heute so, als würden sie als legitime Nachfolger bei nächster Gelegenheit nun aber wirklich den real existierenden Sozialismus umsetzen. Vergessen ist fast schon, dass es dieselben waren, die ein ganzes Land kurz gehalten und 40 Jahre von vorne bis hinten bis zur Agonie gegängelt und terrorisiert haben. Vergessen ist fast schon, dass die DDR-Regierung im Jahre 1989 vor dem unmittelbaren Staatsbankrott stand. Das zeigt unter anderem das geheime sogenannte „Schürer-Papier“, ein streng vertraulich an das Politbüro der SED gerichteter Brandbrief, der den Bankrott, der selbst unter den optimistischsten Annahmen unabwendbar bevorstand, jedem der zuständigen Entscheidungsträger vor Augen geführt hat. Autoren des vertraulichen Papiers waren u.a. Gerhard Schürer, Vorsitzender der Planungskommission, sowie hochrangige DDR-Größen wie Alexander Schalck-Golodkowski, also alles Leute, die es genau wissen mussten, wie es um die DDR-Wirtschaft stand. Die DDR war wirtschaftlich am Ende, der Bankrott wurde sehr realistisch und knüppelhart prognostiziert für das Jahr 1990. Man wäre um eine Umschuldung und damit um eine Auslieferung der Souveränität der DDR ausgerechnet an den IWF (!) nicht herumgekommen. Die Kapitulation des gescheiterten Systems war lediglich noch eine Frage der Zeit. Die „Wende“ war „unabwendbar“, sie kam also gerade recht.


Vielleicht sollte sie ja auch gerade da kommen. Eine Alternative gab es ohnehin nicht mehr. Ein hartes Durchgreifen der staatlichen Organe bei den Montags-Demonstrationen womöglich mit vielen Todesopfern, oder gar das Eingreifen sowjetischer Truppen – wozu Gorbatschow nicht mehr bereit war – hätte als unmittelbare Konsequenz die sofortige Einstellung westlicher Kreditzahlungen bedeutet. Die DDR hätte in der Folge den Lebensstandard der Bevölkerung extrem einschränken müssen, ziemlich sicher wäre es auch zu Versorgungsengpässen gekommen, ähnlich wie in Polen. Dadurch wäre aber der Auswanderungsdruck noch einmal gewachsen. Da jedoch Ungarn bereits die Grenzen zu Österreich geöffnet hatte, und da bei zunehmendem Druck sicher die Tschechoslowakei dasselbe getan hätte, wäre die Lage für die DDR so oder so unhaltbar geworden. Es gab gar keine Alternative zur Wende, sofern man keinen Bürgerkrieg riskieren wollte.


Es war durchaus nicht so, dass es in der DDR-Führung etwa keine Hardliner gegeben hätte, darunter sicherlich auch Honecker, die vor einem Bürgerkrieg zurückgeschreckt wären. Jedoch hatte Gorbatschow bereits deutlich signalisiert, dass es hierbei keine Unterstützung der DDR-Führung durch sowjetische Truppen mehr gegeben hätte.


Die Planwirtschaft hat nicht funktioniert. Sie war sich selbst ein Klotz am Bein. Durch zentrale Lenkung aus dem gewaltig aufgeblähten Wasserkopf einer „Planungskommission“, ohne Übersicht über die realen Verhältnisse an Ort und Stelle sowie durch ideologisch bestimmte, völlig unrealistische Zielvorgaben wurden an jedem Eck multiple Fehlentscheidungen begangen, die sich in der Summe am Ende in einer totalen Lähmung jeder Initiative und des Wirtschaftslebens insgesamt ausgewirkt haben. Es konnte z.B. wochenlang die Produktion in einem Autowerk ruhen, weil die Planungskommission „vergessen“ hatte, für die ausreichende Zulieferung bestimmter Grundbestandteile zu sorgen. Selbst unter den geschönten Zahlen, die dem Politbüro vorgelegt wurden, blieb die Produktivität der DDR-Betriebe weit hinter der westlichen Marktwirtschaft zurück. Spätestens seit den frühen 80-er Jahren war die DDR überhaupt nur noch mit Hilfe westlicher Milliardenkredite überlebensfähig.


Dass die zentrale Lenkung eines vernetzten komplexen Systems auf Dauer nicht funktionieren kann, merkt jeder, der einmal selbst ein Simulations-Computerspiel ausprobiert hat. Wenn man so will, dann sind solche PC-Wirtschaftssimulationen letztendlich Planwirtschaften, die vom Spieler gelenkt werden. Selbst in einer kleinen, überschaubaren Simulationslandschaft begeht man aber unweigerlich grobe Planungsfehler, man muss dann das Spiel abbrechen und z.B. einen alten Spielstand, der vor der Begehung eines entscheidenden Fehlers passiert ist, noch einmal neu laden und von vorn anfangen. Damit schafft man es dann.


In einer realen Volkswirtschaft kann man jedoch nicht „den alten Spielstand laden“ und von vorn anfangen. Ein Fehler, der erst einmal passiert ist, führt unweigerlich zu nicht wieder gutzumachenden Folgen. Immer wieder fährt der Zug ab, man sieht nur noch die Schlusslichter. Dies führt zu unkoordinierten Reparaturversuchen und möglicherweise weiteren Fehlentscheidungen. Die Unmöglichkeit einer zentralen staatlichen Lenkung von Angebot und Nachfrage liegt an der Komplexität des vernetzten Wirtschaftskreislaufs. Selbst für einen aufgeblähten Verwaltungsapparat ist es unmöglich, alle Faktoren und Störgrößen im System wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Ein einziger Fehler in einem vernetzten System erzeugt unter Umständen eine ganze Folgekette von Problemen und Ereignissen und führt zu nicht umkehrbaren Fehlentwicklungen. Die sogenannte „Anmaßung von Wissen“, wie es Hayek genannt hatte, führt zu einer Nichtwahrnehmung wichtiger Faktoren, unvorhergesehene Änderungen der Entwicklung können in der Planung nicht oder nicht rechtzeitig berücksichtigt werden.


Dazu kommt die den Marxisten typischerweise eigene allwissend-überhebliche dialektische Arroganz, ein Nicht-Erkennen-Wollen, dass die Welt eben nicht überall nur aus Schwarz-Weiß, sondern aus vielen Zwischentönen besteht. Daraus entsteht die Neigung zur Ausbildung einer arroganten, selbstgefälligen und ziemlich bald despotischen politischen Nomenklatura, die dann zuerst einmal für ihr eigenes Wohlbefinden sorgt. „Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher.“ – „Die Partei, die Partei, die hat immer recht.“ Schon Hegel wird die Maxime zugeschrieben: wenn sich die Tatsachen nicht entsprechend der Theorie entwickelten – nun, dann sei das eben „umso schlimmer für die Tatsachen“.

Der Marxist steckt einfach die Tatsachen ganz schnell in den GULAG, wenn sie nicht spuren und sich nicht nach seinen theoretischen Zielvorgaben richten.


Mithin entsteht ein chronischer, durch einen arrogant auftretenden dialektischen Materialismus nur mühsam kaschierter Realitätsverlust.

Die daraus entstehenden konstant ignorierten Missstände können dann bald schon nur mit massiver Propaganda kaschiert werden, die teilweise bis ins Lächerliche überzogen ist. Bestes Beispiel für diese Lächerlichkeit war das endlose, unerträgliche Gefasel Honeckers, dessen Fistelstimme im Verbund mit seinem unbekümmerten Realitätsverlust bis heute Stoff für Komiker ist. Sein wohl mit Abstand groteskester Spruch war der folgende:


Den Sozialismus in seinem Lauf

halten weder Ochs noch Esel auf.“


Das hat dieser Mann auch noch vollkommen ernst gemeint. Dieser Spruch fiel vor der Volkskammer in der Zeit des 40. Jahrestags der DDR, während draußen schon die Montagsdemonstrationen liefen und auch er, Honecker, bereits Kenntnis von den desolaten wirtschaftlichen und finanziellen Zuständen der DDR haben musste. Das Schürer-Papier muss auch ihm zu dem Zeitpunkt bereits vorgelegen haben.


Nicht nur Marxisten sind zu einem derartigen Realitätsverlust fähig, aber das scheint doch in dieser Form für diese etwas sehr Kennzeichnendes zu sein. Mißstände werden konstant ignoriert, und jede berechtigte Kritik wird im Rahmen einer paranoiden Verschwörungstheorie als „von Imperialisten gesteuerte Propaganda“ diffamiert.


Eine Opposition entsteht, die ständig durch einen gewaltigen, teuren Spitzelapparat und mit nackter Gewalt schon im Keim erstickt werden muss. Kein marxistischer Staat kann ohne eine Stasi dauerhaft existieren. Man verpulvert irrsinnige Kosten und Ressourcen, nur um das Land mit Stacheldraht, Beton und Selbstschussanlagen einzumauern und einen Überwachungsstaat zu errichten. Allein mit den Maßnahmen der Telefonüberwachung waren bei der Stasi-„Abteilung 26“ über 1000 Mitarbeiter beschäftigt. Insgesamt arbeiteten zuletzt über 91.000 feste Mitarbeiter bei der Stasi. Dazu kamen die gewaltigen Kosten für den Betrieb der Grenzanlagen, die aus einem ganzen Land einen bewachten Hochsicherheitstrakt gemacht haben. Die Kosten für die Gängelungs- und Überwachungsmaßnahmen in der DDR müssen einen hohen Blutzoll vom sowieso schon niedrigen Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt gefordert haben. Diese Gelder haben dann in der Folge für sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen gefehlt, wodurch das System sich selbst nur noch weiter ins wirtschaftliche und technologische Abseits manövriert hat.


Die daraus entstehende bedrückende, bleierne Atmosphäre eines Überwachungs- und Spitzelstaates lähmt jede Initiative. Man zieht sich ein kriecherisches Genossenvolk williger Abnicker, Jubelperser und Jawohl-Sager heran, sowie eine breite Masse an indifferenten, im Sinne des Systems jedoch nicht unbedingt zuverlässigen Passivbürgern, die lediglich noch „Dienst nach Vorschrift“ verrichten. Mangels Freiheit in Forschung und Lehre entwickelt sich ein wissenschaftlicher und technologischer Rückstand, der nicht mehr aufholbar ist.


Das teilweise selbstregulierende Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft ist der Planwirtschaft haushoch überlegen. Zumindest hinsichtlich des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage wird ein weitgehend selbstregulierender Mikrokosmos geschaffen. Der Staat hat in einer sozialen Marktwirtschaft hauptsächlich hoheitliche Aufgaben, sorgt aber auch für Infrastruktur, Bildung und Wohlfahrt. Und er greift immer dann regulierend ein, wenn bestimmte Ungleichgewichte negative Folgen für das Allgemeinwohl haben könnten.


Ziel einer sozialen Marktwirtschaft, und darin unterscheidet sich diese elementar von einem neoliberalen, marktradikalen „Nachtwächter-Staat“, ist gerade das Allgemeinwohl. Das Ziel liegt in einem möglichst großen Wohlstand für eine möglichst große Schnittmenge der Bevölkerung. Dieses Ziel, unter dem nach dem zweiten Weltkrieg während der 50-er und 60-er Jahre das bisher weltweit höchste Wirtschaftswachstum erreicht wurde, wird unter dem globalisierten Neoliberalismus völlig über Bord geworfen.


Das lässt sich auch durch Statistiken bestätigen. Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung über die Vermögensverteilung der deutschen Bevölkerung haben in den Jahren zwischen 2002 und 2007 fast alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland anteilmäßig Verluste am deutschen Gesamtvermögen hinnehmen müssen. Lediglich das reichste Zehntel der deutschen Bevölkerung konnte seinen Besitzanteil ausbauen – nämlich von 57,9 auf 61,1 Prozent des Gesamtvermögens.

http://www.bpb.de/files/92AVP0.pdf


Nach dem 2. Weltkrieg gab es in Deutschland bis ins Jahr 1990 einen starken Anstieg der Nettorealverdienste (inflationsbereinigte Statistik). Diese sind von 13.512 € (1970) auf 17.280 € (1993) gestiegen, dann auf 16.308 € zehn Jahre lang gefallen (2003) und seitdem wieder auf 17.020 € etwas gestiegen (2007).

http://www.gfn-online.de/VWL/VWL-19-Verteilungl-2009-05-HR.pdf


Seit 1985 steigt in Deutschland auch die Armutsquote stetig an, nämlich von 11,9 % (1985) auf 13,5 % (2003). Auch die Tendenz der Überschuldungen steigt.


Weitaus krasser sieht die Situation in den USA aus. Dort besaßen im Jahre 2008 die reichsten 10 Prozent den Anteil von 71 Prozent am Volksvermögen. Im Jahre 1972 sah die Verteilung noch ganz anders aus: da besaßen die reichsten 10 Prozent „nur“ 56 Prozent am Volksvermögen. Zwischen 1979 und 2006 stiegen die Realeinkommen der fünf Prozent am besten verdienenden US-Haushalte um sage und schreibe 87 Prozent, während die ärmsten 5 Prozent der US-Amerikaner während dieser gesamten vom Neokonservativismus dominierten Zeit überhaupt keinen realen Einkommenszuwachs hatten.


Die Behauptung der Neoliberalen, dass eine Umverteilung der Einkommen von unten nach oben durch eine drastische Steigerung des gesamten Volkseinkommens kompensiert werde und es dadurch im Schnitt allen besser gehe, ist statistisch klar widerlegt. Zwar steigt das gesamte Volkseinkommen, aber nur ein geringer Anteil der Bevölkerung profitiert wirklich davon.


In den USA, aber auch in der übrigen westlichen Welt hat es in den letzten 30 Jahren also eine deutliche Verschiebung der Einkommensverteilungen gegeben. Überall sind auch die inflationsbereinigten Bruttoarbeitslöhne deutlich geringer gestiegen, als dies nach dem 2. Weltkrieg bis in die 70-er Jahre der Fall war.


Man darf sich da auch auf keinen Fall etwas vormachen. Der Neoliberalist will in Wahrheit keinen allgemeinen Wohlstand für die breiten Massen. Dies bezeichnet er bereits rundheraus als „Sozialismus“. Die erbittert geführte Debatte um die zaghafte Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung in den USA beweist dies. Bereits solche berechtigten Wohlfahrtsziele, die in Europa seit Jahrzehnten für alle selbstverständlich sind, lehnt der amerikanische Neoliberalist vehement ab. Der Neoliberale hat nicht die Zielsetzung, möglichst großen Wohlstand für alle zu schaffen. Sondern er will möglichst viel Wohlstand für eine sehr kleine Teilmenge der Bevölkerung reservieren. Um nichts anderes geht es hier, auch wenn diese Zielsetzung immer wieder ideologisch anders dargestellt und verbrämt wird. Der Neoliberale behauptet allen Ernstes, dass die ganze Welt profitiere, wenn wenige Personen ein immenses Vermögen an Geld und Produktionsmitteln angehäuft haben. Selbst wenn dabei der Mittelstand den Bach hinuntergeht, so sieht der Neoliberale dies als „notwendiges Übel“ im Rahmen eines angeblich zwangsläufigen wirtschaftsdarwinistischen Kampfes der Starken gegen die Schwachen an. Dieser Prozess sei angeblich gerecht und unausweichlich.

Man merkt jedoch, dass auf Seiten der Entscheidungsträger inzwischen die Angst wächst. Die Angst vor einem gewaltigen sozialen Pulverfass, was man da heranzüchtet. So wurde z.B. in einem Dekret die amerikanische Armee (!) – nämlich Einheiten der Nationalgarde – dazu ermächtigt, in Städten wie Chicago im Falle von Unruhen und Aufständen die öffentliche Ordnung herzustellen. Der wachsende soziale Sprengstoff, die vielen Arbeitslosen und Obdachlosen, bei unzureichenden sozialen Sicherungssystemen, scheinen doch zu erheblichem Unbehagen zu führen. Die Waffenindustrie hat in den USA derzeit Hochkonjunktur, einer der wenigen Wirtschaftszweige, die dort wirklich noch brummen.


Man ist sich da seiner Sache offenbar längst nicht mehr ganz so sicher wie vielleicht noch vor zwanzig Jahren. In den USA ist der soziale Frieden spätestens seit der Finanzkrise erheblich bedroht. Man weiß genau, dass soziale Unruhen in einem Vielvölkerstaat kaum noch beherrschbar sein werden. Was im Fall schwerer sozialer Unruhen mit einem Land passieren wird, wo so viele Schusswaffen in freier Wildbahn unter den Bürgern verteilt sind, mag man sich gar nicht ausmalen.

Trotzdem sperren sich einflussreiche Lobbyisten nach wie vor gegen längst fällige politische Maßnahmen. Trotz massiver Staatsverschuldung wehren sie sich vehement gegen Steuererhöhungen, die angesichts der desaströsen Wirtschaftsdaten, einer gewaltigen Staatsverschuldung nebst immensem Außenhandelsdefizit die einzig mögliche Alternative wären. Die Obama-Regierung war paralysiert, sie wagte es nicht einmal, das Thema überhaupt noch anzuschneiden. Auch mit der Regulierung der Finanzmärkte, deren Auswüchse für das Desaster der Finanzkrise verantwortlich waren, kommt man nur schleppend voran. Kein Wort fällt z.B. hinsichtlich einer Regulierung der Rating-Agenturen, die mit ihren dubiosen Gefälligkeitsgutachten den gut zahlenden Kunden Spitzenratings gewähren, während sie in anderen Fällen brutal und z.T. auch ohne wirklichen Anlass das Rating herunterstufen. Es ist kein Wunder, wenn man sich anschaut, wer in der US-Regierung das Sagen hat. Ein ehemaliger Spitzenmanager des Investmenthauses Goldman & Sachs wurde zum US-Finanzminister, die Aufsicht über die US-Notenbank hat kaum der Präsident, sondern ein Konsortium amerikanischer Großbanken wie JP Morgan und anderen. Die US-Notenbank untersteht nicht etwa der Aufsicht der US-Regierung, sondern sie gehört den Großbanken. Keine wichtige wirtschafts- oder fiskalpolitische Entscheidung kann gegen die Widerstände dieses Finanzkartells getroffen werden. So ist es erklärbar, dass man sich gegen eine Regulierung des liberalisierten Finanzmarktes auch nach dem mehr als deutlichen Warnschuss der Finanzkrise dauerhaft widersetzt. Man vollführt da gerade einen Eiertanz auf dem Rand eines aktiven Vulkans, von dem noch lange nicht sicher ist, wie das ausgehen wird. Bisher, und das zeigt die Weltgeschichte, sind solche Eiertänze eigentlich immer früher oder später im Crash geendet.


Die Verwerfungen in der Weltwirtschaft sind gewaltig. Es droht ein Crash des Dollars als Weltleitwährung. Das würde den Handel zwischen den USA und dem asiatischen und europäischen Raum mit einem Schlag zum Erliegen bringen.


Nicht ausgeschlossen wäre dann eine weltweite Wirtschaftskrise mit noch wesentlich dramatischeren Folgen als bei der Finanzkrise. Es könnte in vielen Ländern zu sozialen Unruhen kommen. Besonders gefährdet wären der asiatische Raum und die USA.

Das Rennen könnten irgendwann z.B. die marxistischen Ideologen machen.

Vielleicht auch irgendwann einmal in den USA, auch wenn dort gegenwärtig dafür keine Anzeichen zu sehen sind. In Deutschland dagegen haben sie zunehmend an Einfluss gewonnen. Nur ein paar Arbeitslose mehr noch, und sie werden wieder allgemein salonfähig.


Die beste Schützenhilfe bekommen sie dabei noch von derart skrupellosen Vorkommnissen wie etwa den Bilanzfälschungen, wie sie im Gefolge der Pleite des amerikanischen Enron-Konzerns ans Tageslicht kamen. Wenige Monate vorher hatte man noch eine Spitzenbilanz vorgelegt und phantastische Gewinne ausgeschrieben, aber auf einmal war das alles vorbei. „Tut uns leid, wir haben uns leider etwas verrechnet.“ Mit einemmal galt das alles nicht mehr, aus den angeblichen Milliardengewinnen wurden von heute auf morgen Milliardenverluste.


Im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 musste der gewaltige amerikanische Versicherungskonzern AIG Insolvenz anmelden. Eine Woche, bevor der Insolvenzantrag nach „Chapter Eleven“ eingereicht wurde, wurde in einem Luxushotel in Manhattan eine sogenannte „Fortbildungsveranstaltung“ für die führenden Konzernmitarbeiter abgehalten. Allein das Buffet soll zwei Millionen US-Dollar gekostet haben. Dafür war immerhin noch Geld in der Kasse.


Die Spitzenmanager des Arcandor-Konzerns hatten noch bis kurz vor der Insolvenz Bonuszahlungen bezogen, während den Mitarbeitern Zugeständnisse bei Lohnzahlungen und 13. Monatsgehalt etc. abverlangt wurden. Konzernchef Middelhoff hatte sogar die lächerliche Strecke zwischen Bayreuth und Nürnberg mit einem gecharterten Jet zurückgelegt. Er hat selbst privat in den Investmentfonds investiert, dem die Karstadt-Immobilien zu lächerlichen Preisen verkauft wurden, und der sie dann zu überteuerten Mondpreisen an Karstadt vermietet hat.


Für jeden überzeugten Marxisten sind solche Vorgänge das gefundene Fressen, der Beleg für die Verdorbenheit und Skrupellosigkeit des Kapitals.


Spätestens mit der Finanzkrise ist der Beruf des „Bankiers“ im öffentlichen Ansehen ins Zwielicht geraten. Als die unmittelbar bevorstehende Insolvenz von Lehman Brothers. bereits allen Experten bekannt war, haben deutsche Banken den Kleinanlegern immer noch munter diese Ramsch-Zertifikate weiter verkauft. Wenige Wochen vor der Lehman-Pleite hat sich selbst die evangelische Kirche noch solche Papiere andrehen lassen und dabei einen stattlichen Millionenbetrag verloren.


Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“... dieser sarkastische Spruch, der ja die Wirklichkeit durchaus zutreffend beschreibt, ist derzeit in aller Munde.


In der Tat beobachtet man immer wieder, wie die Spitzenmanager ihre eigenen Fehlentscheidungen, die Milliarden kosten, niemals selbst ausbaden müssen, sondern wie sie elegant die Folgen an die Arbeitnehmer und Steuerzahler weiterreichen. „Leider muss umstrukturiert werden...“, „...Lohnanpassungen sind unvermeidbar...“, „...es wird zu Freisetzungen kommen...“.

Beste Beispiele für in den Sand gesetzte Betriebsmilliarden, die von anderer Seite wieder hereingewirtschaftet werden müssen, sind der Kauf des maroden Chrysler-Konzerns durch Daimler-Benz, sowie das völlig überzogene, rein aus Prestigegründen gestartete und bisher nichts als Verluste bringende Phaeton-Modell bei VW.


Die Fehler, die „oben“ gemacht werden, müssen von anderen ausgebadet werden. Auch hier findet sich beste Munition für jeden überzeugten Marxisten.


Neben dem Marxismus gibt es jedoch noch ein weiteres radikales Moment, was durch die Globalisierung Auftrieb erhält. Der radikale Islamismus definiert sich selbst insbesondere durch den Kampf gegen die USA, die als Motor der Globalisierung und direkte Bedrohung für die islamische Religion und Kultur angesehen wird.

Die besondere Gefahr des Islamismus liegt in der Verknüpfung einer Religion mit einem politisch-ideologisierten „Freiheitskampf“ gegen die Globalisierung, der ihn besonders attraktiv für die armen und chancenlosen Völker der dritten Welt (besonders in Afrika) macht.


Eigentlich könnte man die radikalen Islamisten, die sich besonders dem „Dschihad“ gegen die USA verschworen haben, beruhigen. Denn die US-Amerikaner führen bereits ihren eigenen Dschihad gegen ihr eigenes System, und man bräuchte lediglich abwartend zuzuschauen – sie richten ihr eigenes System gerade selbst zugrunde. Besser kann es eigentlich kein Terrorist besorgen. Aber der Hass der Islamisten, der zum nicht geringen Teil durch die unsäglichen Wirrungen amerikanischer Außenpolitik der letzten Jahrzehnte mit hervorgerufen wurde, ist so groß, dass sie auch Vergeltungsschläge der USA billigend in Kauf nehmen. Im Gegenteil wird dies geradezu bezweckt, um dadurch die Radikalisierung der Moslems weltweit anzuheizen.

Die US-Amerikaner, die in den vergangenen Jahrzehnten kaum ein außenpolitisches Fettnäpfchen ausgelassen haben (sie selbst waren es beispielsweise, die in den 70-er und 80-er Jahren Saddam Hussein, aber auch die Taliban in Afghanistan gepäppelt haben), laufen bereitwilligst auch in diese Falle.



Neoliberalismus und Sozialdumping


Noch ist es so, dass sich die gutqualifizierten, spezialisierten Jobs in den Industrieländern eine Weile halten lassen.


Für die niedrigqualifizierten Arbeitnehmer sieht es allerdings düster aus, sie unterliegen am meisten dem anwachsenden Lohnpreisdruck. Letztendlich kann man diesem Preisdruck in Deutschland nicht standhalten.


Könnten Sie, lieber Leser, mit 40 Euro im Monat in Deutschland überleben?

Wohl kaum in der jetzigen Form.

Für 40 Euro können Sie sich bei uns immerhin ein paar Säcke Grillkohle aus dem nächsten Baumarkt leisten. Was dafür ausreichen würde, dass Sie sich unter der nächsten Straßenbrücke jeden Tag ein paar Ratten grillen können, wenn Sie sich die Grillkohle über den Monat gut einteilen. Wenn Sie gut wirtschaften, können Sie sich Sonntags (nach der Arbeit) dann einen Lambrusco aus dem Plastikkanister dazu leisten.


Würden Sie in einer Stadt wie Manila oder Lagos leben wollen? Möchten Sie auf Bildung, Urlaub, Gesundheitsvorsorge, saubere Umwelt, Rente etc. verzichten? Und wenn ja: für wen eigentlich?


Eigentlich müssten Sie das aber, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Merken Sie sich das: auch Sie sind letztendlich international nicht konkurrenzfähig.

Man wird auch Ihren Arbeitsplatz vielleicht eines Tages „outsourcen“. Das Angebot Ihrer Arbeitskraft wird vom Ausland durch Sozialdumping unterboten. Das betrifft nicht etwa nur Arbeitsplätze im arbeitsintensiven Bereich (Bandarbeit etc.). Auch Arbeitnehmer und Angestellte in hochspezialisierten Bereichen sehen sich zunehmend dem „steigenden Kostendruck“ ausgesetzt. Finanzdienstleistungen, Softwareprogrammierer... das alles kann man in Indien billiger haben. Das erste Unternehmen, welches damit anfängt, steigert seine Gewinnmargen exponential und zwingt mit „Kampfpreisen“ die Konkurrenz, nachzuziehen.

Das betrifft nicht nur Deutschland. Es betrifft in fast noch stärkerem Maße auch die USA, andere europäische Länder und Japan. Zunehmend geht es auch dem Mittelstand an den Kragen.


Die Frage ist jedoch: wenn die Sozialsysteme reformiert sind, die Steuern für die

Besserverdienenden gesenkt, das Lohnniveau eingefroren, die Wochenarbeitszeit und das Renteneintrittsalter erhöht...

Wird das reichen?

Man hat so ein flaues Gefühl im Magen, dass es nicht reichen wird.

Zunächst noch kann der Großkonzern durch Steuergeschenke der Regierung und Zusagen des Personalrats besänftigt werden, dahingehend, dass in einer wohlwollenden Geste die Produktion nicht ins Ausland verlagert wird.

Der Preisdruck auf den Faktor Arbeit steigt jedoch. Und in einigen Jahren könnte sich die Frage „Outsourcing“ erneut stellen.

Und unsere Damen und Herren Eurokraten fördern auch noch mit ständigen EU-Erweiterungen zusätzlich den Druck. Als ob es nicht schon genug Arbeitslose im Bereich der minderqualifizierten Arbeit gäbe, wird durch das Lohnpreisgefälle der deutsche Arbeitsmarkt hoffnungslos mit Lohndumping geflutet.

Auf deutschen Großbaustellen wird kein Wort Deutsch mehr gesprochen, und derzeit verlieren etliche Mitarbeiter von Fleischereibetrieben ihren Job zugunsten von Wanderarbeitern aus Osteuropa, die für einen Hungerlohn und unter widerlichsten Bedingungen schuften, um den ach so notleidenden und unter Kostendruck stehenden Fleischmogul zufrieden zu stellen. Wenn der dürfte, würde er Chinesen ins Land holen, weil die es noch billiger tun als die Polen. Wenn es nach ihm ginge, wären China und Vietnam morgen schon Mitglied der EU – bei ungehinderter Grenzöffnung.


Was haben die Eurokraten dazu zu sagen?

Lamentieren und Achselzucken.

Bei 5 Millionen Arbeitslosen macht das jedoch einen wenig verheißungsvollen Eindruck.


Deutschland liegt innerhalb der EU an zentraler Lage. Daher liegt es nahe, dass in erster Linie Deutschland das Zielland von Arbeitssuchenden aus Osteuropa ist.

Ungeachtet der immer noch bestehenden Probleme im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung werden in Beitrittsverhandlungen neuer EU-Kandidaten deutsche Interessen nach Schutz des inländischen Arbeitsmarkts offenbar zu wenig berücksichtigt. Teilweise vermittelt sich sogar der Eindruck, dass diese Frage dabei noch nicht einmal irgendeine Rolle spielt.

Und dass vielleicht sogar der zusätzliche Druck, der dadurch im Niedriglohnsektor auf die Löhne entsteht, durchaus politisch gewollt ist.

Die paar Hunderttausend Arbeitslose zusätzlich werden billigend in kauf genommen, um die Gewerkschaften zu schwächen und um das Tarifgefüge von unten her aufzurollen.

Anschließend lamentiert man dann über die sinkende Binnennachfrage und fordert Senkungen der Sozialbeiträge, für die aber angesichts der sinkenden Beschäftigungszahlen immer weniger Raum bleibt.


Freier Handel und freier Austausch von Arbeitskräften ist gut und richtig, solange es sich bei konkurrierenden Ländern um Länder mit vergleichbarem Lebens- und Sozialstandard handelt.

Andernfalls führt der freie Welthandel zu Sozialdumping zugunsten des Großkapitals.

Und das ist auch der Grund, warum die Globalisierung so forciert wurde.

Aber irgendwann einmal wird der Bogen überspannt sein.


Der Neoliberalismus als Wirtschaftstheorie leugnet die negativen Einflüsse des Sozialdumpings auf die Volkswirtschaft.

Diese Denkfehler werden uns seit dreißig Jahren als „Logik“, „Sachzwänge“, „Freie Marktwirtschaft“ verkauft.


Der Begriff „Dumping“ ist den Neoliberalen eigentlich fremd. Nach deren Theorie gibt es eigentlich kein Dumping, da es jedem Land bzw. Konzern im Rahmen des freien Welthandels freigestellt ist, die Konkurrenten beliebig zu unterbieten.

Das sei alles gut und richtig und fördere den fairen Wettbewerb.


Setzt man das Prinzip des freien Welthandels konsequent um, dürfte es z.B. eine Aufsichtsbehörde für die Luftfahrt gar nicht geben, weil so etwas eine staatliche Einrichtung ist, welche die freie Wirtschaft reglementiert, und weil jeder Fluggast selbst entscheiden kann und soll, wie viel Sicherheit er bezahlen will.


Konsequenterweise dürfte man einer Billig-Airline dann nicht verbieten, ihre aus dritter Hand aufgekauften, schlecht gewarteten Flieger mit defekten Reifen und Triebwerken und schlecht ausgebildeten Piloten abheben zu lassen. Jeder Eingriff einer staatlichen Behörde in das freie Spiel der Marktkräfte ist tabu.


De facto handelt es sich hier aber um Dumping.

Ein Mitbewerber verschafft sich durch gefährliche, skrupellose Einsparmassnahmen einen unfairen Preisvorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Indem er an der Wartung und Sicherheit spart, riskiert er jeden Tag Leib und Leben der Fluggäste.

Der durchschnittliche Fluggast sieht aber nur den niedrigen Flugpreis, der ihm imponiert.

Im Reiseprospekt ist sicherlich keine Nahaufnahme des nicht mehr vorhandenen Reifengummis abgebildet, und dass das Kondenswasser aus der Klimaanlage ihm auf den Kopf tropft, sagt man ihm auch besser nicht vorher.

Erst, nachdem dann etwas passiert ist (s. Flugzeugabsturz vor der Dominikanischen Republik), hebt das Geschrei an: „Warum wurde da nicht besser kontrolliert? Wieso hat der Staat nicht...“ etc.


Die neoliberale Wirtschaftstheorie leugnet ab, dass es illegale bzw. unfaire Preisvorteile gibt.


Die klassische Definition des Dumpings bezeichnet den Export einer Ware zu Preisen unter den eigentlichen Herstellungskosten bzw. unterhalb des Verkaufspreises im Erzeugerland.


Die neoliberale Wirtschaftstheorie tut sich bereits sehr schwer mit der Akzeptanz dieses klassischen Dumpingbegriffs, die Existenz anderer Dumpingbegriffe wird gar nicht erst diskutiert.

Tatsächlich gibt es andere Formen des Dumpings, z.B.:


  • Lohndumping (z.B. China, Billigarbeiter)

  • Steuerdumping (z.B. Irland, von der EU subventioniertes Steuerparadies)

  • Subventionsdumping (z.B. EU-Agrarwirtschaft, aber auch US-Stahlindustrie)

  • Valutadumping (künstlich niedrig gehaltener Währungskurs, s. z.B. China, aber auch Japan in den 70-er und 80-er Jahren)

  • Umweltdumping (Preisvorteile durch nicht erfüllte Umweltschutzstandards, s. z.B. China)


Während das Subventionsdumping von der neoliberalen Theorie noch am stärksten abgelehnt wird (aber nur, wenn es beim Konkurrenten passiert), begrüßen die Neoliberalen das Steuer- und Lohndumping geradezu, bzw. sie leugnen deren Existenz und versuchen damit, jedwede Diskussion bereits im Keim zu ersticken. Dabei sind die negativen Auswirkungen dieser Dumpingformen auf die Weltwirtschaft ebenso eklatant. Diese beiden Formen des Dumpings sind für das zunehmende Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich, für die Geldverschiebung zugunsten des Kapitals verantwortlich.

Sie schaffen fatalen sozialen Sprengstoff, der irgendwann zur kritischen Masse heranreifen könnte.


Prinzipiell ist Preisdumping das Druckmittel und die Waffe des Neoliberalismus und der Globalisierung. Mit diesem Prozess wird massiv umverteilt zugunsten der Reichen und Superreichen.

Auch diese Tatsache wird nur noch von interessierten Kreisen der profitierenden Lobbyisten bestritten.


Dieser gewaltige Umwälzungsprozess erinnert an einen Tornado, der von unten her alles hochsaugt, was ihm vor den Strudel kommt.

Oben angekommen, kreist der Wirbel dann lustig um sich selbst und prahlt mit den „Gewinnmargen“, die er wieder einmal akquirieren konnte. Allerdings in ständiger Angst, vom Nachbartornado gefressen zu werden.


Doch jeder Tornado bricht irgendwann einmal zusammen, wenn seine Energie verbraucht ist. Sobald er von unten heraus nichts mehr zu saugen findet, fällt oben die ganze Turbulenzblase in sich zusammen. Ungeachtet der Schneise der Verwüstung, die er hinterlassen hat, kann dann das Gras wieder wachsen.






Neoliberalismus, Krisen und Schulden


Trotz gegenteiliger Beteuerungen scheint es so zu sein, dass neoliberale Wirtschaftspolitik Überschuldungen der Staatshaushalte nach sich zieht. Wogegen auch kein monetaristisches Gegensteuern hilft.


Das beste Beispiel dafür ist – wieder einmal – in den USA selbst zu beobachten. Gerade die Steuersenkungen für Konzerne und Gutverdienende hatten zur Folge, dass sich der US-Staat seit der Zeit der Reagan-Administration massiv verschuldete. Nach dem Crash der sogenannten „New-Economy-Blase“ im Jahr 2000 wurde auch der ursprüngliche streng monetaristische Kurs über Bord geworfen. Die Amerikaner hatten Angst vor einer dauerhaften Deflation. Daher senkte der damalige US-Notenbank-Chef Greenspan die Leitzinsen in mehreren Schritten von 6 auf 1 Prozent. Der Finanzmarkt wurde mit billigem Geld geflutet, gerade davor hatten die Monetaristen immer gewarnt. Das billige Geld legte den Grundstein für die Immobilienblase in den USA. Gegenüber den US-Normalbürgern wurde der sinkende Lebensstandard durch die Leichtigkeit einer Kreditaufnahme kompensiert. Die außenpolitischen Eskapaden der Bush-Regierung wie der Irak-Krieg haben ein übriges dazu getan, weil sie jeden Monat immens Geld gekostet haben, ohne die politisch prognostizierte Wirkung hervorzubringen. Vom ursprünglich vorhergesagten „Domino-Effekt“ und einer Demokratisierung der arabischen Region ist aber auch nicht das geringste zu sehen. 

 

Japanische Krise

Der Versuch einer Konjunkturanheizung über Niedrigzinspolitik war im übrigen bereits vorher schon einmal von den Japanern unternommen worden – mit ähnlich schlechtem Ausgang.

Mitte der 80-er Jahre war der japanische Yen völlig unterbewertet, die Japaner überschwemmten die ganze Welt mit billigen Waren. Die Amerikaner drängten die Japaner zur Aufwertung des Yen, dem konnten sich die Japaner nicht mehr dauerhaft verschließen, sie hätten sonst einen offenen Handelskrieg riskiert. Auf die Aufwertung des Yen hin brachen sofort die Exporte ein. In Tokio an der Börse fielen die Aktienkurse. Japan drohte in eine Rezession zu schlittern.

In dieser Situation griff die japanische Notenbank zu dem besagten Mittel der Zinssenkung. Die japanische Zentralbank senkte die Zinsen auf einen historischen Tiefstand.


Daraufhin entwickelte sich in den späten 80-er Jahren in Japan eine Immobilienblase, genau wie später in den USA. Die Japaner nahmen die Chance des billigen Geldes wahr und kauften wahllos Immobilien auf Kredit. Die Preise stiegen auf astronomische Rekordhöhen. Der Kaiserpalast in Tokio soll auf dem Höchststand der Blase einen vergleichbaren virtuellen Wert gehabt haben wie der Grund und Boden des gesamten US-Bundesstaats Kalifornien.

Jedoch wollten die Japaner nicht recht abwarten, bis die Blase von selbst platzte. Den Japanern wurde die Sache unheimlich, allerdings reichlich spät. Die Notenbank hob die Zinsen wieder an. Es kam, wie es kommen musste: aufgrund der gestiegenen Zinslast gab es die ersten Verkäufe, was zum Platzen der Immobilienblase führte. Die Börse in Tokio erlebte einen Crash.

Nun versuchten es die Japaner mit Konjunkturprogrammen, dem klassischen keynesianischen Mittel. Seit Anfang der 90-er Jahre hat der japanische Staatshaushalt sich über diese Konjunkturprogramme massiv verschuldet. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Japaner ist astronomisch, sie ist weitaus höher als die in Deutschland. Seit dieser Zeit ist das Wirtschaftswachstum Japans im übrigen auch nicht wieder in Gang gekommen, Japan kämpft seither mit einer langanhaltenden schleichenden, langsamen Rezession. Die teuren Konjunkturprogramme haben vielleicht einen rasanten Fall der japanischen Wirtschaft verhindert, jedoch bisher keine nachhaltige Stabilität gebracht. Anfang 2010 ging Japan Airlines in Insolvenz, zur Zeit läuft ein Sanierungsplan mit Staatshilfen. Die Folgen des Erdbebens sowie der Kernkraftwerk-Havarie in Fukushima im März 2011 sind derzeit noch gar nicht absehbar. Die strukturellen Probleme Japans stellen sich momentan weitaus gravierender dar als die Deutschlands. Insbesondere die starke Abhängigkeit vom US-Markt und die Altersspirale werden Japan noch sehr zusetzen. Japans große Chance dürfte der zunehmende Handel mit dem wirtschaftlich erstarkenden China sein. Erste Anzeichen zeigen, dass es in diese Richtung gehen könnte. Bislang ist Japan kein Zuwanderungsland, das könnte sich aufgrund der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Sachzwänge über kurz oder lang ändern.


Jedenfalls zeigt bereits das fehlgeschlagene japanische Niedrigzinsexperiment, welche Folgen so etwas haben kann. Trotzdem haben die US-Amerikaner nicht daraus gelernt und dasselbe ab 2001 in den USA probiert. Die Warnungen vor der Immobilienblase, die sich dort genau so einstellte wie in Japan, wurden von Alan Greenspan in den Wind geschlagen. Die Folgen kennen wir.


Unter diesem Aspekt sollten wir Äußerungen von Notenbankern und sogenannten Wirtschaftsweisen betrachten, die für sich stets ökonomische Kernkompetenz beanspruchen und trotzdem immer nur die alten, woanders längst schon einmal fehlgeschlagenen Experimente wiederholen – deren Folgen wir dann alle bezahlen müssen.

 

Asienkrise Ende der 1990-er Jahre

Äußerst gefährlich ist immer wieder eine Liberalisierung des Kapitalverkehrs in Ländern, deren Wirtschaft daran nicht angepasst ist.

Durch eine Liberalisierung der Inlandsfinanzmärkte in Asien wurde Ende der 90-er Jahre eine Kredit- und Spekulationsblase angeheizt, die (ausgehend von Thailand) in der Asienkrise 1997/ 98 resultierte.

Die Asiaten haben sehr genau gewusst, warum sie sich jahrelang den Forderungen westlicher Finanzkreise nach Liberalisierung des Finanzsektors widersetzt haben. Als die Märkte dann freigegeben waren, mangelte es ihnen an Erfahrung in der Aufsicht des Bankwesens. Auf diese Weise konnte sich eine durch faule Kredite finanzierte Spekulationsblase entwickeln, die irgendwann zum Crash führen musste. Vor allem aus US-amerikanischen Kreisen war nach der Asien-Krise immer wieder der Vorwurf mangelnder Bankenaufsicht zu hören.


Dieser Vorwurf ist ein Widerspruch in sich selbst. Denn es ist ja gerade eine der erklärten neoliberalen Kernforderungen besonders der US-Amerikaner, dass das Finanzwesen eben möglichst keiner Aufsicht unterliegen soll. Nach Meinung der Neoliberalen reguliert sich der Finanzmarkt von ganz allein. Insoweit ist die nachträgliche Kritik der Amerikaner an der fehlenden Bankenaufsicht in den asiatischen Ländern einfach nur absurd. Thailand, Korea und Indonesien haben sich genau nach den neoliberalen Kernforderungen gerichtet und den Kapitalverkehr freigegeben, und zwar weitgehend unkontrolliert, so, wie es auch die Amerikaner daheim praktizieren. Über die Qualität der Bankenaufsicht in den USA selbst müssen wir spätestens seit der Finanzkrise wohl kaum noch ein Wort verlieren.


Immer wieder ist die Spekulation in Aktienmärkte mittels fauler, nicht gedeckter Kredite das absolute Leitthema, wenn es um die Erklärungen der Hintergründe schwerer Wirtschafts- und Finanzkrisen geht. Wie bereits oben dargelegt, war die Spekulation mittels fauler Kredite bereits ursächlich für den Gründerkrach von 1873. Der Börsenkrach an der Wallstreet von 1929, bezeichnet als der „Schwarze Freitag“, hatte ebenfalls eine entsprechende Vorgeschichte. Wieder einmal war dort jahrelang ein Aktien-Boom über faule Kredite angeheizt worden. Vom Broker bis zum Milchmädchen hatte jedermann mit geliehenem Geld in Aktien spekuliert. Einige Jahre ging das scheinbar gut, bis dass die Schallgrenze des Irrsinns erreicht war und die ersten Kurse fielen. Durch panikartige Notverkäufe in kürzester Zeit versuchte nun jeder, zu retten, was nicht mehr zu retten war.


Immer wieder sind es die finanzpolitischen Experimente unter liberalisierten Kapitalmärkten, die zu massiven Verwerfungen, Kreditblasen und Finanzkrisen führen.


Die USA fördern über die von ihr dominierte Weltbank die Überschuldung von Diktaturen ärmerer Länder. Die Entwicklung in Indonesien ist ein Paradebeispiel für die katastrophale Politik des IWF im Gefolge der Asienkrise von 1998. Erst haben sie mit großzügigen Krediten an den Suharto-Clan dem Land die Ketten angelegt und es finanziell an den Tropf gehängt. Als es immer weiter abwärts ging, gewährte der IWF weitere Kredite, aber nur unter der Maßgabe einer vollständigen Liberalisierung und unilateraler Deregulierung im Sinne neoliberaler Handelspolitik.

Dem Patienten, der sich auf der Intensivstation befand, wurde die weitere künstliche Beatmung nur unter Bewilligung umfangreicher Organspenden zugestanden.

Was sich dann in der Folge erst richtig katastrophal auswirkte, im Sinne eines totalen wirtschaftlichen Absturzes, von dem sich Indonesien bis heute nicht erholt hat.

Jedoch haben einige Ausländer nicht schlecht von den Privatisierungen zu Schleuderpreisen profitiert, und den Finanzspekulanten, die zumindest mitverantwortlich für den Ausbruch der Krise waren, ist es gelungen, durch die IWF-Interventionen Kopf und Kragen zu retten. Ohne die IWF-Intervention wäre der eine oder andere Hedge-Fonds, vielleicht die eine oder andere Großbank über die Wupper gegangen. Damit das abgewendet werden konnte, haben andere bezahlen müssen. Denn geschenkt gibt es nichts, auch nicht von Weltbank und IWF.


Chilenische Krise nach dem "Chilenischen Wunder"

Das von Milton Friedman über den grünen Klee gelobte „chilenische Wunder“ der 1970-er Jahre war ebenfalls ein Beispiel für die Tendenz zum neoliberalen, desaströsen Schuldenmachen.

Als die Pinochet-Regierung die Ratschläge der sogenannten Chicago-Weisen befolgte und den Kapitalverkehr mit dem Ausland vollständig freigab, verschuldeten sich die chilenischen Banken unkontrolliert, indem sie in den USA zu Niedrigzinsen Kredite aufnahmen und zu hohen Zinssätzen im chilenischen Inland Kredite weitervergaben. Die Kombination zwischen liberalisiertem Kapitalverkehr und monetaristischer Hochzinspolitik war verhängnisvoll. Zwischen 1973 und 1982 stieg die chilenische Auslandsverschuldung von 4 Mrd. auf 17 Mrd. Dollar. Völlig unhaltbar wurde die Lage, als in den USA unter Reagan ebenfalls eine monetaristische Hochzinspolitik eingeführt wurde. Da die meisten ausländischen Kreditverträge Chiles zu variablen Zinssätzen in den USA festgelegt waren, verteuerten sich mit einem Schlag die Zinszahlungen. 1982 musste dann der Peso schlagartig abgewertet werden, ein Bankencrash konnte nur durch staatliche Intervention des Regimes abgewendet werden. Fast alle chilenischen Banken wurden faktisch verstaatlicht. Eine tiefe, jahrelange Rezession folgte. Durch die Übernahme der Banken unter die Obhut des Staates stieg in der Folge der Anteil der chilenischen Staatswirtschaft am BSP auf einen höheren Wert (32%), als selbst unter dem Kommunisten Allende. Die Schutzzölle auf ausländische Waren mussten auf bis zu 34% angehoben werden.

Mit „freier Marktwirtschaft“ und „freiem Handel“ hatte das fortan nicht mehr viel zu tun. Es gab auch niemanden mehr, der diese Tatsache noch kritisiert hätte; Milton Friedman und seine Chicago-Boys hatten sich zu dieser Zeit längst schon nicht mehr in Chile blicken lassen.

Die durch Allende erfolgte Verstaatlichung der Kupferminen wurde im übrigen auch durch Pinochet nicht rückgängig gemacht, abgesehen von einer schwachen Entschädigung. Diese fette Einnahmequelle wollte der Claudillo schon aus Gründen des eigenen Überlebenswillens nicht mehr preisgeben.

Über diese schwere Krise und über die erzwungene teilweise Abkehr vom Neoliberalismus durch Verstaatlichung und Protektionismus hat ein Friedman sich später nicht geäußert. Lediglich die Tatsache, dass während der Boomphase des „chilenischen Wunders“ trotz Wachstums der Wirtschaft die totale Armutsrate in der Bevölkerung sich auf über 30% erhöht hat, wurde durchaus zugegeben. Aber gerade das sei ganz richtig so gewesen, das müsse schon so sein.

Während Chile unter der blutigen Pinochet-Diktatur von Friedman für sein nominell ansteigendes Wirtschaftswachstum gelobt wurde, sind gleichzeitig dort Hunderttausende Menschen verhungert.

Ein Anachronismus, der Friedman so gar nicht vermittelbar zu sein schien. Im Gegenteil hat er das Zeit seines Lebens für etwas ganz normales, natürliches gehalten. Ein Prozess der natürlichen Auslese eben. Damit sind wir wieder bei dem eingangs beschriebenen Dschungelvergleich mit der totalen Ablehnung des ethisch begründeten wirtschaftspolitischen Handelns.

Es interessierte Friedman auch nicht die katastrophale Finanzkrise, in die Chile damals durch die neoliberalen Experimente der „Chicago-Boys“ geritten wurde. Er blieb zeitlebens bei der Meinung, dass der eingeschlagene Weg damals der einzig richtige gewesen sei und ein Vorbild für die Entwicklung aller Schwellenländer.

Dass es in Chile erst wieder aufwärts ging, seit man seine radikalen Konzepte größtenteils verlassen hat, wird unterschlagen. Erst nachdem Pinochet fortgejagt war, und nach einer Abkehr vom radikalen Neoliberalismus während der 90-er Jahre verbesserte sich die chilenische Lage derart, dass das Land inzwischen neben Brasilien als lateinamerikanischer Spitzenreiter betrachtet werden kann.


Andere südamerikanische Staaten wie z.B. Argentinien stecken nach wie vor in der Krise. Die neoliberale internationale Finanzpolitik der letzten zwanzig Jahre hat in vielen Ländern eine Schulden- und Armutsspirale angeheizt, die wiederum zum vollständigen Ausverkauf der Besitzstände der unterentwickelten Länder führt und in einigen Fällen bis zum Staatsbankrott geführt hat, wie in Argentinien. Deutliche Aufwärtstendenzen gibt es dagegen in Brasilien, die Regierung unter dem Sozialdemokraten Lula da Silva hat einiges auf den Gebieten Bildung und Wirtschaft und im Kampf gegen Armut zustande gebracht und kann inzwischen ausgeglichene Staatshaushalte vorweisen. Brasilien gilt unter den Südamerikanern als Vorreiterstaat. Es entwickelt sich eine stärkere Zusammenarbeit mit China, der Außenhandel ist hier jetzt schon bedeutender als der mit den USA. Brasilien ist auch von der Finanzkrise 2008/2009 relativ unangefochten geblieben.


Fakt ist, dass es denjenigen Schwellenländern, die sich einer Öffnung ihrer Inlandsfinanzmärkte zumindest zeitweise widersetzen, derzeit noch am besten geht, und dass die Länder, die in der Vergangenheit sich dem Ausverkauf an Großkonzerne, Weltbank und IWF hingegeben haben, bevor sich eine einheimische Industrie etablieren konnte, heute am schlechtesten dastehen.


Länder wie China, Japan und Korea haben es überhaupt nicht nötig, sich von IWF oder Weltbank irgendwelche Auflagen machen zu lassen.

Sie machen es seit langem vor, dass es möglich ist, allen Pressionen von Weltbank und IWF zum Trotz ihren eigenen Weg zu gehen. In lateinamerikanischen Ländern wie Chile, Argentinien, Brasilien, Venezuela scheint sich ebenfalls die Erkenntnis durchzusetzen, dass man nicht gut fährt, wenn man sich mit Weltbank und IWF allzu eng einlässt.

Folgerichtig munkelt man bereits von einer Krise der Weltbank und des IWF, da die Schuldnerländer immer weniger bereit sind, neue Kredite aufzunehmen, um sich damit immer mehr in der Schuldenspirale zu verstricken. Brasilien und Argentinien haben ihre vorhandenen IWF-Kredite abgezahlt und angekündigt, künftig keine Neukredite dort mehr aufzunehmen. Damit verschaffen sie sich nationale Handlungsfähigkeit zum Aufbau einer tragfähigen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Voraussetzung dafür ist, dass eine nachhaltige Entwicklung überhaupt möglich ist.


Immer schon haben die Neokonservativen und die Monetaristen für sich reklamiert, sie seien die eigentlichen Hüter und Bewahrer gesunder Staatshaushalte. Das ist durch die jüngste Geschichte nun klar widerlegt – spätestens seit der schweren Finanzkrise. Es gibt keinen einzigen Staat auf der Welt, dessen Finanz- und Steuerpolitik nach neokonservativen Maßstäben ausgerichtet ist, und der etwa einen ausgeglichenen Staatshaushalt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Die angloamerikanischen Länder (USA, England) als die Hauptvertreter monetaristischer Fiskalpolitik in den 80-er und 90-er Jahren haben heute die schlimmste, desolateste Situation hinsichtlich ihrer Staatshaushalte. Großbritannien ist ebenso verschuldet wie Griechenland, die neue konservative Cameron-Regierung musste einen rigiden Sparkurs einleiten, für fiskalpolitische Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur haben die Briten nicht mehr den geringsten Spielraum. Auf die prekäre Haushaltssituation der USA inklusive der Stützung der eigenen Staatsanleihen durch Aufkauf mit frisch gedruckten Dollars der Notenbank – eine vor 20 Jahren noch völlig undenkbare Maßnahme – wurde bereits ausführlich eingegangen.


Noch weitaus schlimmer als in den USA und England sieht übrigens die Staatsverschuldung in Japan aus, ein Land, das uns von „Wirtschaftsweisen“ lange Zeit als Vorbild gepriesen wurde. Auch in den Kernländern der EU, in Deutschland und in Frankreich, ist die Situation sicherlich nicht rosig – trotzdem gibt es viele Länder auf der Welt, die sich wünschen würden, sie hätten derzeit nur diese Probleme.


Die einzigen Länder, die derzeit noch ausgeglichene Staatshaushalte haben, sind übrigens die skandinavischen Länder – trotz einer Fiskalpolitik mit hohen Steuern, die den erklärten Zielen der Neoliberalen diametral entgegensteht.



Neoliberalismus, Protektionismus und Subventionen


Bemerkenswert ist das gespaltene, völlig undurchsichtige Verhältnis des Neoliberalismus zur Frage von Subventionen und Protektion.


Offiziell betrachtet, scheint die Position sehr einfach umschrieben. Glaubt man öffentlichen Verlautbarungen, gelten Subventionen und Protektion als Grundübel der Wirtschaftspolitik überhaupt.

Sie förderten Wettbewerbsverzerrung und behinderten das freie Spiel der freien Kräfte des freien Marktes in einem freien Welthandel, zum Wohl der freien Bürger in einer freien Welt etc.
Zudem bedingt die Zahlung von Subventionen die Erhebung von Steuern. Und das Wort „Steuern“ hat für den Neoliberalen so in etwa einen ähnlich obszönen, sogar perversen Beigeschmack wie das Wort „Pädophilie“.

Als ebenso schädlich für die Weltwirtschaft werden protektionistische Maßnahmen, z.B. Schutzzölle angesehen.


Abseits offizieller Verlautbarungen gelten jedoch insgeheim erst einmal nur solche Subventionen und Zölle als schädlich, die zulasten des wirtschaftlichen oder internationalen Konkurrenten gehen.


Nicht ein einziger US-amerikanischer neokonservativer Politiker beklagt die massive Subvention der amerikanischen Stahlindustrie und maroden Autoindustrie, oder die erheblichen Steuergeschenke an Exporteure. Wenn aber die EU Subventionen an die einheimische Landwirtschaft austeilt, ist das etwas sehr schlimmes und eine ernste Bedrohung für den freien Welthandel.


Die Forderung des Neoliberalismus, Subventionen einzustellen, ist jedoch Unsinn, weil sie insgeheim gar nicht ernst gemeint ist und nur für nationale und internationale Konkurrenten erhoben wird, bezüglich eigener Interessen aber beliebig aufgeweicht und umgangen wird, wie man es gerade braucht.


Subventionen hat es immer gegeben und wird es immer geben.


Die Frage ist nur: wann sind Subventionen angebracht?

Dazu müssen wir einmal verschiedene Beispiele von Subventionen und ihre Folgen betrachten.


Ein dazu prächtig geeignetes Studierfeld ist die Luftfahrtindustrie.


Die US-Amerikaner werfen den Europäern vor, ihre Airbus-Flugzeuge immer schon massiv subventioniert zu haben.

Dabei tun sie selbst seit Jahrzehnten das gleiche.

Der US-Flugzeughersteller Boeing wickelt seine Auslandsaufträge über das staatliche US-Außenhandelsbüro in New York ab und erhält daher immense Steuergeschenke.

Im Rahmen der aktuellen Entwicklung des neuen Boeing-Langstreckenfliegers B-787 war auch schon von US-Subventionen in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar die Rede.

Die EU-Kommission hat 2005 die direkten und indirekten US-Subventionen an Boeing seit 1992 auf 29 Milliarden US-Dollar beziffert.


1971 musste die Firma Lockheed durch eine staatliche US-Kreditbürgschaft von 250 Mio. USD vor dem unmittelbar bevorstehenden Konkurs gerettet werden. Nur diese Bürgschaft sowie die massiven staatlichen Rüstungsaufträge ermöglichten das Überleben des Lockheed-Konzerns. Es ging damals um den drohenden Fehlschlag des 1011-Tristar-Projekts. Die Entwicklung dieser dreistrahligen Passagiermaschine wäre fast daran gescheitert, dass der britische Triebwerkhersteller Rolls-Royce ebenfalls so gut wie insolvent war. Rolls-Royce wurde durch massive Intervention des britischen Staats gerettet. Nur dadurch war auch das Lockheed-1011-Projekt gerettet, man hatte keine alternativen Triebwerke vorgesehen und war auf die Rolls-Royce-Triebwerke angewiesen. Die 1011-Tristar konnte dann gebaut werden, hat sich aber aufgrund der Konkurrenz zur gleich großen DC-10 nicht gut verkauft. Trotz der Staatshilfen war dieses Projekt also ein wirtschaftlicher Fehlschlag, was zum Ausstieg von Lockheed aus dem Zivilluftsektor geführt hat. Seither ist der Lockheed-Konzern ausschließlich im Rüstungsbereich tätig.


Einer Studie der University of California zufolge wurde besonders während der 60-er Jahre der Zivilluftsektor in den USA über subventionierte Aufträge des Militärs und der NASA gegenfinanziert.


Auch bei Boeing war die Geschichte der Neuentwicklungen nicht immer von Erfolg gekrönt.

Anfang der 1970-er Jahre hatte Boeing versucht, ein Konkurrenzprodukt zur europäischen Concorde zu entwickeln. Die Amerikaner wollten es aus Prestigegründen nicht auf sich sitzen lassen, dass die Europäer das erste Überschall-Passagierflugzeug erfolgreich entwickelt hatten. Die Sache geriet zum Politikum, bis hinauf zu Präsident Johnson gab es viele einflussreiche Förderer eines amerikanischen Projekts, und man war bereit, für diese sehr teure Entwicklung Staatsgelder lockerzumachen. Nach einer Ausschreibung erhielt Boeing den Zuschlag. Als jedoch 1971 der US-Kongress – wohl aus Anlass der Wirtschaftskrise nach dem Ende der Golddeckung des Dollars – die Subventionsgelder für diese Entwicklung strich, wurde das gesamte Entwicklungsprojekt eingefroren. Boeing musste die Zahl der Mitarbeiter allein in Seattle mit einem Schlag auf 40.000 halbieren. Da die US-Regierung fast zeitgleich das Apollo-Weltraum-Projekt beendete, von dem Boeing erheblich profitiert hatte, sah es eine Zeitlang gar nicht gut aus für Boeing, da sie damals wie heute extrem auch von Staatsaufträgen abhängig waren und sind.


Die Rettung für Boeing kam in Form eines Elefanten, den wir heute als „Jumbo-Jet“ kennen.


Als Mitte der 1960-er Jahre die B-747 geplant wurde, wäre das gesamte Projekt ohne eine hohe staatliche Kreditbürgschaft niemals zustande gekommen.

Niemand kann heute so recht erklären, wie es damals möglich war, dass die Entwicklungskosten für die B-747 1,2 Mrd. USD betragen konnten, obwohl der gesamte Boeing-Konzern zu der Zeit lediglich ca. 372 Mio. USD Kapitaldecke hatte. Die Kosten überstiegen sogar den geschätzten Gesamtmarktwert des Boeing-Konzerns. Es muss also auch hier massive staatliche Hilfen gegeben haben, denn unter diesen Umständen hätte Boeing ansonsten keinesfalls die nötigen Bankkredite bekommen. Die Rede ist von einem gemeinsamen Besuch des Boeing-Chefs Allen zusammen mit dem PanAm-Chef Tripple beim Präsidenten. Bei diesem Besuch ging es um die B-747, Tripple hatte dem Präsidenten sein Kaufinteresse zusichern müssen. Das bedeutet, hätte es damals keine staatliche Bürgschaft zugunsten Boeings gegeben, würde heute nicht eine einzige B-747 fliegen. Der Grund und Boden für das Werksgelände in Everett, auf dem die B-747 in den neuen Hallen gefertigt wurde, ist dem Boeing-Konzern damals vom Staat kostenlos gestellt worden. Die staatliche Hilfe war neben einem Großauftrag der damaligen Airline PanAm Voraussetzung dafür, dass der Startschuss für das Milliarden Dollar-Projekt überhaupt gegeben wurde.

Nach diversen Anlaufschwierigkeiten war jedoch das B-747-Projekt aus sich selbst heraus tragfähig und war unbestritten hauptverantwortlich für den wirtschaftlichen Boeing-Erfolg bis weit in die 90-er Jahre hinein. Natürlich haben auch die Airlines weltweit enorm von diesem Flieger profitiert. Es konnte eine große Zahl an Passagieren unter verbesserten wirtschaftlichen Bedingungen transportiert werden.

Eine indirekte Subvention hatte also über 20 Jahre dauerhafte Beschäftigung und Erfolg garantiert, vielleicht sogar das Bestehen des Boeing-Konzerns an sich erst ermöglicht. Diese Tatsache widerlegt klar die ständig kolportierte Behauptung der Neoliberalen, dass Subventionen, wenn überhaupt, nur einen kurzfristigen, sofort verpuffenden Konjunktureffekt hätten.


Das gleiche wurde in Europa mit europäischen Steuergeldern dann mit Airbus durchexerziert, mit genau demselben hervorragenden Erfolg.

Mit dem kleinen Unterschied, dass es jetzt plötzlich von amerikanischer Seite als etwas sehr verwerfliches betrachtet wurde.

Das erste Airbus-Flugzeug, die A-300, besetzte damals einen Nischenplatz, da weder Boeing noch McDonnell-Douglas zu der Zeit etwas entsprechendes anzubieten hatten.

Das Projekt wurde nach einigen Anlaufschwierigkeiten ein Erfolg, wäre aber ohne massive Subventionen niemals verwirklicht worden. Durch die geschickte Investition in die richtige Strategie und durch Konzentration hochqualifizierter Wissenschaftler und Ingenieure wurde die Airbus-Erfolgsgeschichte ermöglicht. Heute ist Airbus der einzig ernstzunehmende Konkurrent für den Boeing-Konzern. Nicht nur das, sondern ein richtiges Ärgernis. Die Amerikaner hatten lange Zeit sogar Mühe, mit Airbus überhaupt noch technisch Schritt zu halten. Von Airbus kam eine ganze Reihe wichtiger Innovationen: die strömungsgünstige Oberflächenstruktur der Tragflächen erstmalig bei der A 310, die computergestützte „fly-by-wire“-Steuerung bei der A 320, der Einsatz von Verbundwerkstoffen u.v.m.


Die Reagan-Administration hat im Rahmen der sogenannten "Reaganomics" Subventionen nominell stets abgelehnt, besonders wenn andere Staaten Subventionen angewandt haben. Reagan hat drastische Steuersenkungen durchgesetzt und dem US-Staat ein strenges Sparkorsett aufgezwängt, bis hin zu einem allfälligen Investitionsstau nebst an vielen Orten maroder Infrastruktur. Der einzige Bereich, der allerdings gepäppelt und gemästet wurde, war der Verteidigungshaushalt. Das Pentagon badete in den 1980-er Jahren im zunehmenden Geldsegen wie Dagobert Duck im Geldspeicher. Die Rüstungsindustrie freute sich über lukrative Aufträge aus Washington. Hierin kann man eine durch Subvention künstlich aufgebauschte Konjunktur sowie ein künstlich aufgepepptes Bruttosozialprodukt sehen. Durch Effekte der Globalisierung, aber auch durch die Hochzinspolitik, ergab sich in vielen Bereichen der produzierenden Wirtschaft eine Deindustrialisierung. Abgesehen von der Rüstungsindustrie.


In Japan kam der durchschlagende Erfolg der elektronischen und optischen Industrie auch nicht von ungefähr.

Jahrelang hatte das legendäre japanische Handelsministerium (MITI) die Entwicklung neuer Produktionsmethoden, auch neue Erfindungen subventioniert. Den Firmen wurde durch staatliche Beihilfen die Forschungsarbeit erleichtert.

Damit wurde die US-amerikanische Vorherrschaft im Elektroniksektor ebenso gebrochen wie die deutsche Führung im Markt der Optik und Unterhaltungselektronik. Die amerikanische Autoindustrie wurde bis hin zur zeitweisen Existenzbedrohung geschwächt, die europäische erhielt einen ernsten Konkurrenten.


Während der 50-er und 60-er Jahre hatte das MITI in Japan eine entscheidende Rolle. Man koordinierte die einheimische Industrie- und Wirtschaftspolitik daraufhin, Inflation zu bremsen, zinsgünstige Kredite zu vermitteln, technische Entwicklung zu forcieren und durch eindeutig protektionistische Maßnahmen die Inlandswirtschaft, die gegenüber dem Ausland noch nicht konkurrenzfähig war und sich im Aufbaustadium befand, zu schützen.

Entscheidend war auch die Abschottung der japanischen Finanzmärkte bis zu dem Zeitpunkt, als die japanische Wirtschaft genügend Auslandsvermögen aufgebaut hatte.

Als in den 70-er Jahren die japanische Wirtschaft dabei war, mit Europa und den USA nicht nur gleichzuziehen, sondern diese z.B. in der Autoindustrie in Produktivität und Qualität zu überrunden, wurden trotzdem die protektionistischen Maßnahmen beibehalten und erst auf Drängen der USA und der WTO seit den 80-er Jahren bis heute nur teilweise gelockert. Noch heute schirmt Japan den einheimischen Automarkt mit Schutzzöllen gegen Importe aus Europa ab.


Der japanische Erfolg bis in die 80-er Jahre hinein ist also eben gerade nicht durch neoliberale Wirtschaftsexperimente oder durch Freihandel ermöglicht worden. Er ist gerade durch eine Politik des geschützten Reservats, durch eine regelrechte Käseglocke realisiert worden. Eine Politik, die den Forderungen des Neoliberalismus und des freien Welthandels diametral entgegenläuft.

Hätte in der Nachkriegszeit ein Milton Friedman in Japan das Sagen gehabt, wäre der japanische Aufstieg zu einer der führenden Wirtschaftsmächte niemals denkbar gewesen. Vielmehr darf man mit Fug und Recht vermuten, dass Japan heute vielleicht auf dem Stand etwa von Chile wäre und bereits mehrere Militärdiktaturen und Bürgerkriege hinter sich hätte.


Natürlich hat inzwischen auch Japan wirtschaftliche Probleme, auch dort kennt man Arbeitslosigkeit, Nullwachstum, Altersspirale, hohe Staatsverschuldung. Die typischen Probleme hochentwickelter Industrienationen machen auch vor Japan nicht halt. Weder in Europa noch in Japan werden sich diese Probleme aber mit neoliberalen Konzepten nachhaltig lösen lassen.


Möglich war die japanische Entwicklung durch die herausragende geostrategische Lage, die Japan zu Zeiten des kalten Krieges als Bollwerk gegen China, die UdSSR und Nordkorea innehatte. In dieser Situation waren die USA an einem starken Japan interessiert, und man ließ den kleinen, gelben Mann in Ruhe wachsen und gedeihen, während man in Lateinamerika immer schon ganz andere Mittel und Wege kannte, um Konkurrenz vor der eigenen Haustür erst gar nicht entstehen zu lassen.


Die USA als „Homeland“ des Neoliberalismus sind gleichzeitig eins der Länder mit stärkster protektionistischer Handelsgesetzgebung. Für diesen Antagonismus scheinen sie jedoch zweckerblindet zu sein.

Die amerikanischen Zollbestimmungen gehören anerkanntermaßen zu den umfangreichsten und kompliziertesten der Welt. Genau wie die EU, riegeln sie z.B. den heimischen Lebensmittelmarkt von Billigimporten ab.

Während ihnen die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Aufhebung von Protektion seitens der Entwicklungsländer nicht weit genug gehen kann, schotten sie selbst ihren Markt rigide gegen Importe aus den Entwicklungsländern, zunehmend aber auch aus der EU ab. Auch der einheimische Telekommunikationsmarkt wird mit Argusaugen beobachtet und Investitionen seitens Kapitalgebern aus der EU behindert.


Langfristig schaden sie sich damit jedoch selbst am meisten. Inzwischen gilt in den USA der Telekommunikationssektor gegenüber Europa als rückständig.

Protektionismus ist dann sinnvoll, wenn sich ein Land im Aufbaustadium befindet. Er ist jedoch auf lange Sicht destruktiv, wenn in einer hochentwickelten Infrastruktur ein maroder Industriezweig wie z.B. die US-Stahlindustrie damit am Leben gehalten wird.

Tatsächlich war der Einfall der Bush-Regierung, Schutzzölle gegen Stahlimporte aus der EU zu erheben, insgesamt kontraproduktiv. Weil die US-Autoindustrie – ebenfalls am Boden liegend – auf diese billigen Importe angewiesen ist, hatten sich durch die Stahlimportzölle die Herstellungskosten der US-Autos schlagartig verteuert, was zum Verlust von ungefähr 75.000 Arbeitsplätzen in der Autoindustrie geführt haben soll. Nach kurzer Zeit musste die Bush-Administration zurückrudern und Ausnahmeregeln für bestimmte Stahlprodukte einführen, schließlich mussten die Schutzzölle ganz zurückgenommen werden. Den endgültigen Anlass dazu bot die Drohung der EU, Zölle für importierte Orangen aus Florida zu erheben. Eine bitterböse, ganz gezielte Maßnahme der EU-Kommission. Dazu muss man wissen, dass zu der Zeit gerade Wahlen in den USA bevorstanden, und dass Florida ausgerechnet das „Homeland“ des Bush-Familienclans ist. Es war durchaus beabsichtigt, gerade hier einen ganz wunden Punkt zu treffen, indem man den Orangenfarmern in Florida ihren europäischen Hauptexportmarkt mit einem Schlag genommen hätte.


Man sieht schon, mit welch harten Bandagen hier häufig gekämpft wird. Das sind keine Auseinandersetzungen zwischen kleinen „Chickenbonern“, sondern zwischen „Global Playern“ der Weltwirtschaft, die bisher nur unter großen Anstrengungen einen offenen Handelskrieg vermeiden konnten. Hinter der Fassade der transatlantischen Freundschaftsbekundungen brodelt es also heftig.


Protektionismus stellt die Gefahr dar, ein Land unter einer künstlichen Käseglocke zu halten. Protektionismus, der auf breiter Linie wirkt, führt zu Ineffizienz und Investitionsrückstand der heimischen Industrie, da Konkurrenz künstlich außen vor gehalten wird.

Protektionismus kann ein Schuss sein, der nach hinten losgeht. Der Handelspartner kann seinerseits Schutzzölle verhängen, wie es die EU gegen US-Stahl schon angedroht hatte. Damit wäre die Zeit gekommen, wo die Sanduhr für die veraltete US-Stahlindustrie vollends abläuft.

Protektionismus geht solange gut, wie man noch Eisen im Feuer hat, mit denen man international punkten kann. Wenn man jedoch wie die USA selbst zu Rüstungszwecken Panzermotoren (Porsche), Zieloptiken (Zeiss), U-Boote (HDW) aus Deutschland importiert, wenn man Eisenbahnsysteme für Amtrak aus Frankreich importieren muss, U-Bahnen und Straßenbahnen aus Italien und Deutschland, dann wird der beginnende technologische Rückstand verdeutlicht, in den die US-Wirtschaft dank jahrelanger Protektion und neoliberaler Wirtschaftspolitik langsam, aber unaufhaltsam geraten ist.


Die verbleibende Rüstungsindustrie ist einer der Industriezweige, der in den USA zurzeit wirklich boomt. Da die Rüstungsindustrie aber zu 100% direkt auf Staatsaufträge angewiesen ist, handelt es sich hier um eine versteckte, erhöhte Staatsquote am BSP, die in der öffentlichen Diskussion amerikanischer Wirtschaftsdaten konsequent unterschlagen wird. Kaum ein Staat auf der Welt gibt derzeit gemessen am BSP so viel Geld für Rüstung aus, wie die USA. Auch das ist letztendlich Subvention durch Staatsaufträge. Ein guter Teil des irrsinnigen Haushaltsdefizits der US-Regierung geht letztlich auf das Konto dieser Subventionen des Rüstungssektors.


Bereits Anfang der 80-er Jahre war die ernste Krise der US-Autoindustrie ein erster Warnschuss.

Man hat die Chance nicht genutzt, sondern die Zeit verschlafen. Man hat schon damals Milliarden Dollar Subventionshilfen aus dem US-Staatshaushalt kassiert, eine Umstrukturierung der Produktion und der Modellpolitik ist jedoch nicht erfolgt. Heute produziert die US-Autoindustrie immer noch die schweren Boliden wie in den 80-er Jahren, mit horrendem Spritverbrauch. Dazu kommt, dass die US-Autos teilweise einen mangelnden Qualitätsstandard aufweisen, der gegen Importe aus der EU, erst recht gegen japanische Autos meilenweit zurückfällt. Diese Tatsache war schon in den 80-er Jahren bekannt, Verbesserungen wurden jedoch nicht erreicht.

Trotz niedriger Mineralölsteuer steigen auch in den USA die Spritpreise. Im Zusammenhang mit sinkenden Realeinkommen für die breite Masse sind die Amerikaner nicht mehr bereit, ihre eigenen Autos zu kaufen, da sie zudem für weniger Geld aus Japan bessere Produkte erhalten.

Sowohl bei Ford als auch bei General Motors in den USA sieht es daher düster aus. Während der Finanzkrise konnte GM nur mit massiver staatlicher Intervention am Leben gehalten werden, der gesamte Konzern stand unmittelbar vor dem Aus, es ging nur noch um wenige Wochen. Ein Fortbestand des Konzerns ist auch jetzt keineswegs garantiert. Man will nunmehr in die Entwicklung spritsparender Modelle investieren. Die Zeit wird zeigen, ob die Konzepte tragen.


Wir sollten uns daran erinnern, dass während der Krisenzeit der frühen 1970-er Jahre in Deutschland der VW-Konzern ebenfalls einmal kurz vor dem wirtschaftlichen Aus stand. Es wurde auf Halde produziert, in einer verknöcherten Modellpolitik hatte man sich jahrelang dagegen gesperrt, von dem technisch veralteten Käfer-Konzept abzurücken. In allerhöchster Bedrängnis und in kürzester Zeit musste ein neues Modell entwickelt werden. Dabei hatte man bei VW z.B. überhaupt keine Erfahrungen mit wassergekühlten Motoren, im Käfer waren ausschließlich luftgekühlte Motoren mit hohem Verbrauch bei niedriger Leistung zum Einsatz gekommen.

Die Rettung für den gesamten Konzern kam aus einer Motorenentwicklung der Konzerntochter Audi sowie von einem genialen Einfall des italienischen Designers Giugiaro. Das völlig neuartige Konzept des „Heckklappenautos“, der VW Golf, war geboren. Dieses Modell hat neben dem Passat das wirtschaftliche Überleben des VW-Konzerns gesichert. Bis heute ist das Golf-Modell Hauptträger des VW-Umsatzes.

Volkswagen hatte es damals auch ohne umfangreiche staatliche Subventionen aus der Krise geschafft. Eine Subventionierung ohne durchgreifende Änderung der Modellpolitik und ohne Investitionen in neue Technik hätte dagegen ein langsames Sterben auf Raten zur Folge gehabt.


Subventionen sind dann sinnvoll, wenn sie eine Art Anschubfinanzierung für Projekte, neue Entwicklungen, Erfindungen etc. zur Verfügung stellen. Wenn sie eingesetzt werden quasi wie ein Katalysator für eine chemische Reaktion.

Wenn es absehbar ist, dass ein Projekt gute Chancen hat und sich irgendwann selbst tragen kann.


Sie sind aber auch dann nützlich, wenn dadurch die Infrastruktur eines Landes verbessert wird, in Hinsicht auf


  • Bildung

  • Umweltschutz

  • Forschung

  • Verkehrserschließung


also im Sinne von Investitionen in Maßnahmen, die direkt oder indirekt der wirtschaftlichen Infrastruktur zugute kommen.


Ein Beispiel für eine positive Subvention in Infrastrukturmaßnahmen ist der Aufbau des U-Bahn- und S-Bahnnetzes in München zu Beginn der 1970-er Jahre anlässlich der Olympiade. Hierfür wurden erhebliche staatliche Mittel lockergemacht. Nach strenger neoliberaler Wirtschaftslehre wäre so etwas grob falsch.

Die hierfür notwendigen Investitionen wären jedoch durch die Privatwirtschaft niemals aufzubringen gewesen, und der gesamte Münchner Wirtschaftsraum profitiert noch heute davon. Während manche amerikanische Stadt im täglichen Verkehrskollaps erstickt.


In Minneapolis wurde nach großen Widerständen ein öffentliches Straßenbahnnetz errichtet. Das Projekt wurde fast vorher noch zu Fall gebracht, weil unter anderem eine republikanische Kommunalpolitikerin die Tatsache der festen Fahrpläne und des festen Fahrwegs als „unamerikanisch“ und „dem Freiheitsgedanken zuwiderlaufend“ gebrandmarkt hat. Offenbar ist es vereinbar mit dem amerikanischen Freiheitsgedanken, jeden Tag drei Stunden auf dem Highway im Stau zu stehen. Diesem bornierten, kleinkarierten Denken mochte sich die Stadt Minneapolis letztlich aber dann doch nicht anschließen. Die Straßenbahn wurde gebaut, basta, und ist seither ein voller Erfolg. Die Wagen kommen übrigens aus Deutschland, gebaut bei Bombardier, früher: DUEWAG. Die einheimische amerikanische Industrie schafft es schon lange nicht mehr, Straßenbahnen herzustellen, die dem technischen Stand der Zeit entsprechen und konkurrenzfähig sind.


Immer wieder spürt man deutliche Parallelen zwischen der typischen amerikanischen Denkweise und dem Neoliberalismus. Dieser passt anscheinend besonders gut zur amerikanischen Mentalität. Es ist erschreckend, wie diese Mentalität, die in den Gründerzeiten der amerikanischen Pionier-Ära sicher ihren Sinn hatte, die in einem dichtbesiedelten Vielvölkerstaat mit multiplen sozialen und wirtschaftlichen Problemen jedoch absolut fehl am Platz ist, sich immer wieder in destruktiver Weise gegen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und der Wohlfahrt richtet. Letztendlich ist das Sache der Amerikaner, jedoch haben es die Europäer nicht nötig, sich diese fragwürdige anachronistische Mentalität auch nur ansatzweise zu eigen zu machen. Seit der schweren Finanzkrise lässt jedoch diesbezüglich der propagandistische Druck deutlich nach. Die USA befinden sich in einer tiefen Rezession, die dort vorherrschende, von einflussreichen Lobbyisten trotzdem immer noch nach Kräften geförderte bornierte Denkweise ist den Europäern nun wirklich beim besten Willen nicht mehr als Vorbild zu verkaufen.


Die Europäer investieren seit Jahrzehnten Staatsgelder im erheblichen Umfang in ihre Infrastruktur, mit wechselndem Erfolg.


Ein positives Beispiel ist sicherlich Dänemark mit der Brückenverbindung über den Belt. Dadurch sind die Insel Seeland und die Hauptstadt Kopenhagen nun direkt ohne Unterbrechungen durch umständlichen Fährverkehr auf dem Straßen- und Bahnweg mit dem Festland verbunden. Große Bedeutung hat diese Verbindung natürlich auch für den internationalen Durchgangsverkehr nach Schweden, inzwischen gibt es auch einen Tunnel zwischen Helsingör und Helsingborg unter dem Kattegat. Die Gelder dafür kamen zu bedeutenden Anteilen vom dänischen Staat, private Betreiber allein hätten trotz der Mautgebühren dafür die Gelder nicht locker gemacht. Die Baumaßnahmen fördern auf Jahrzehnte hinaus den gesamten skandinavischen Wirtschaftsraum.


Ein negatives Beispiel für Staatssubventionen scheint das Milliardenprojekt „Stuttgart 21“ zu werden. Das Projekt ist heiß umstritten und wäre durch eine neu gewählte Landesregierung in Baden-Württemberg fast gestoppt worden. In jedem Fall kann man jedoch den Skeptikern in manchen Punkten Recht geben.

So würde der Fahrzeitgewinn auf der neu zu bauenden ICE-Schnellstrecke Stuttgart-Ulm lediglich ca. 30 Minuten betragen. Mit einem Umbau der jetzt vorhandenen, seit Jahren vernachlässigten Strecke ließe sich aber ebenfalls schon ein Fahrzeitgewinn von ca. 15 Minuten herausholen, und das mit deutlich weniger Finanzmitteln. Die neue Schnellstrecke wird darüber hinaus aufgrund der starken Steigungen für jetzige lokbespannte IC-Züge ungeeignet sein. Der ICE-Zug vom Typ 3 ist der einzige Zug, der derzeit diese Strecke überhaupt befahren könnte. Nicht einmal die älteren ICE-1 und ICE-2-Züge würden diese Strecke nutzen können. Die Antriebs- und Bremsleistung reicht dafür nicht. Probleme würde nach Lage der Dinge wohl dann auch der französische TGV-Duplex bekommen. Konstruktionsplanungen für lokbespannte IC-Züge, die für diese Strecke geeignet wären, sind nicht einmal in Sicht. Dabei ist die Strecke Stuttgart-München bisher eigentlich eine klassische IC-Strecke, die ICE-Verbindungen von Hannover nach München führen über Fulda und Würzburg, die von Köln nach München führt über Frankfurt und Würzburg – und nicht über Stuttgart. Die wichtige Nord-Süd-Verbindung mit der Schweiz führt durch das badische Oberrheintal, vorbei an Stuttgart. Die Strecke Karlsruhe-Basel ist bereits weitgehend als Hochgeschwindigkeitsstrecke ausgebaut, was dort auch Sinn macht.


Stuttgart ist auch kein Teil einer imaginären „Verkehrsachse Paris-München-Wien-Budapest/Bratislava“. Diese Behauptung der Bundeskanzlerin ist Unsinn, reine Fiktion. Wer heute von Paris nach Budapest will, nimmt angesichts der gewaltigen Entfernung sowieso das Flugzeug. Er wird auch dann nicht die Bahn nehmen, wenn die Reisezeit von derzeit über 10 Stunden sich um eine halbe Stunde verkürzt.

Stuttgart ist zwar Landeshauptstadt Baden-Württembergs und eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Deutschlands, es liegt aber abseits der zentralen Achsen des europäischen Nord-Süd-Durchgangsverkehrs. Verkehrstechnisch ist Stuttgart hauptsächlich Endpunkt des wichtigen Nebenasts, von Mannheim abzweigend aus der Nord-Süd-Verbindung des Rheintals. Der Bau der bereits vorhandenen Schnellstrecke Mannheim-Stuttgart war daher eine wichtige und notwendige Entscheidung. Die Verbindung Stuttgart-Ulm-München ist demgegenüber jedoch zweitrangig. Jedenfalls rechtfertigen die Fahrgastzahlen keinesfalls die horrenden Kosten einer Schnellstrecke durch schwierigstes Terrain, was die Franzosen in dieser Form bei ihren TGV-Strecken nicht zu bewältigen hatten.


Die Streckenführung mit vielen Tunnelbohrungen würde durch geologisch äußerst problematisches Terrain verlaufen. Man hat es über weite Strecken mit Kalksandstein zu tun, wo es jederzeit zu unvorhergesehenen Problemen kommen kann, z.B. zu Wassereinbrüchen, die den Bau dann erheblich verteuern würden.

Die geplante Steigung an den Bahnsteigen im neuen unterirdischen Bahnhof Stuttgart wäre so groß, dass das Eisenbahnbundesamt eine fragwürdige Ausnahmegenehmigung erteilen musste.

Der jetzige Hauptbahnhof Stuttgart ist zwar ein Kopfbahnhof, aber trotzdem ist er nicht das sogenannte „Nadelöhr“, als das er von den Befürwortern des Projekts oft tituliert wird. Bei den ICE- und TGV-Zügen, aber auch bei den inzwischen überall längst mit Steuerwagen fahrenden IC-Wendezügen ist ohnehin kein Lokwechsel wegen des Kopfbahnhofs mehr erforderlich. Die Aufenthaltszeiten im Bahnhof sind daher kaum länger als in Durchgangsbahnhöfen, und angesichts der vielen vorhandenen Gleise gibt es keine Kapazitätsengpässe. Die S-Bahn verkehrt sowieso bereits unterirdisch und ist schon jetzt vom Kopfbahnhof völlig unabhängig. Der Stuttgarter Regionalverkehr wird daher also von dem milliardenteuren Projekt kaum profitieren.


Alternativen zu dem Projekt gibt es, aber diese wurden von Anfang an nicht ernsthaft erwogen.


Die immensen Kosten des Projekts, die von den Planern möglicherweise auch noch erheblich „schöngerechnet“ wurden, dürften insgesamt in keinem gesunden Verhältnis zum erzielten wirtschaftlichen Nutzen in Form der Verbesserung der Stuttgarter Infrastruktur sowie des Fernverkehrs stehen.


Wann sind Subventionen schlecht und schädlich?


Wenn finanzieller Aufwand und wirtschaftlicher Nutzen oder Wohlfahrtseffekt in keinem gesunden Verhältnis zueinander stehen.


Wenn ein Projekt, das eigentlich bereits gescheitert ist, damit vergeblich zu retten versucht wird.


Wenn technisch rückständige Industriebetriebe damit künstlich wie auf einer Intensivstation am Tropf noch eine Weile über Wasser gehalten werden.

Bestens zu sehen am Beispiel der amerikanischen Stahlindustrie.


Wenn ein Industriezweig, der zu teuer produziert, damit dauerhaft künstlich am Tropf gehalten wird, wie am Beispiel der deutschen Kohleförderung zu sehen.


Wenn damit teure Prestigeprojekte wie z.B. die Entwicklung einer amerikanischen Mars-Raumfähre finanziert werden, bei denen weder ein wirtschaftlicher noch ökologischer noch sozialer Nutzen derzeit absehbar ist. Was will der Mensch auf dem Mars? Dort gibt es weder verwertbare Rohstoffe noch realistische Aussichten auf eine Besiedelung.

Obwohl ein erheblicher sozialer Nutzen, der durch das Abschießen mancher neokonservativer Politiker auf entfernte Planeten entstehen würde, nicht zu leugnen wäre. Vielleicht könnten die dann ihre spätrömisch-dekadenten „Tea-Parties“ mit Luftballons und Konfetti auf dem Mars feiern, durchgeplant von hochbezahlten Event-Managern. Jedoch scheint eine derartige, einzig sinnvolle Nutzung nicht zur Debatte zu stehen. Immerhin wurden diese grotesken Pläne im Zuge der Finanzkrise bis auf absehbare Zeit begraben. Der amerikanische Staat ist auch so schon überschuldet bis über den Stehkragen hinaus, und so ein Billionen verschlingendes Prestigeprojekt ohne realen Nutzen hätte derzeit weder im Kongress noch im Senat eine Chance.

Wenn damit sinnlose „Beschäftigungsprogramme“ bezahlt werden, die dann weder leben noch sterben können und weiterhin dazu verdammt sind, viel Geld zu kosten, ohne dass ein in Relation stehender Gegenwert geschaffen wird.

Solche keynesianischen Beschäftigungsprogramme sind in absoluten Not- und Krisenzeiten erfolgversprechend, wie es z.B. Roosevelts „New-Deal“-Projekte der 30-er Jahre gezeigt haben.

In Ländern mit hochentwickelter Infrastruktur und Industrie scheinen die Keynes-Rezepte dagegen nicht anzuschlagen, wenn es um das Abfangen konjunktureller Tiefs geht. Eine Erklärung dafür ist der sogenannte „Verdrängungseffekt“, ein Rückgang privater Investitionen durch hohe staatliche Intervention.


Subventionen sind ebenfalls dann schädlich, wenn damit totgeborene Projekte wie das Bremer „Space-Center“ (ein Freizeit-Center) subventioniert werden, das ein verfehltes Gesamtkonzept hatte, zu hohe Eintrittspreise verlangte und ohnehin viel Konkurrenz durch umliegende Freizeitparks hatte. Nach langem Leerstand der Geisterstadt aus Beton und Glas wird abzuwarten sein, ob das Konzept des Folgebesitzers tragfähig ist. In jedem Falle waren die 200 Millionen Euro „Darlehen“ des Bremer Senats eine Verlustabschreibung. Geld, das gerade dem bettelarmen Stadtstaat Bremen heute bitter fehlt.

Bezeichnend war hierbei bereits die Fehlentscheidung, überhaupt mit dem Bau zu beginnen, ohne überhaupt eine einzige Mietzusage für die 40.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche zu haben. Großmannssucht, Zweckoptimismus und dubiose Gefälligkeitsgutachten haben diese Bremer Pleite möglich gemacht. Allerdings scheint das auf dem Parkplatz des Space-Center zur Zierde rund um die Parkbuchten zwischen den Betonsockeln ausgestreute violette Kunststoffgranulat eine beliebte Quelle zur Sammlung privaten Bastelmaterials mancher Bremer Einwohner zu sein - vom Autor selbst mit eigenen Augen gesehen.


Ein typisch deutscher Fehler bei der Gewährung von Subventionszahlungen ist, zu vergessen, dass zu den Subventionen auch die planerische Professionalität und Sachkenntnis dazugehört.

Es ist eben nicht damit getan, 600 Millionen Euro in Form von Beton, Glas oder sonst etwas auf die grüne Wiese zu stellen. Solche Investitionen verpuffen wie eine Tasse brennendem Petroleums an einem Eisberg.


Ebenfalls eine deutsche Krankheit ist die Übersubvention der Bürokratie und öffentlichen Verwaltung. Deutschland hat einen aufgeblähten Staatsapparat, der vergleichsweise viel Geld kostet, gleichzeitig aber in sich selbst so festgefahren und mit der Politik verzahnt ist, dass jedwede Reformen politisch erfolgreich schon im Ansatz blockiert werden.


Ebenfalls ein Beispiel destruktiver Subvention ist es, wenn damit überteuerte, unnötig aufwändige Maßnahmen wie etwa das deutsche „Toll-Collect“-System zur Abrechnung der LKW-Maut aufgebaut werden. Das Possenspiel, mit dem in Deutschland damit Abermillionen Euro aus dem Fenster geworfen wurden, haben wir nicht vergessen.

Schweizer und Österreicher haben uns seit Jahren vorgemacht, wie so etwas viel einfacher, billiger und effizienter geht. Mit einer Vignette. Aber – nein! Einfach und unkompliziert – so etwas geht bei uns nicht.

Und warum eigentlich?

Aus Gründen, die wir wohl niemals erfahren werden, musste eine teure und komplizierte Lösung her. Auf Kosten unserer Steuergelder, wieder einmal. Mit erheblicher Zeitverzögerung, die ihrerseits Einnahmeausfälle gebracht hat.


Subventionen sind ebenfalls schädlich, wenn damit Industriekonzerne, die sowieso schon Geld wie Heu haben, völlig unnötige Steuergeschenke erhalten.

Damit werden u.U. indirekt Konkurrenten, die eigentlich effizienter und innovativer arbeiten, behindert. Gefördert werden kann dadurch eine gewisse Erstarrung des Beschenkten, ein Beharren auf seines Daches Zinnen – weil er keinen Anlass mehr für Innovation sieht.


Die Faktoren, die jede staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik jedoch schon im Ansatz scheitern lassen, sind: Großmannssucht, blinder Aktionismus, Zweckoptimismus, fehlende Sachkenntnis und das blinde Vertrauen auf Gefälligkeitsgutachten.


Subventionen können also entweder sich als sehr nützlich oder aber auch sehr destruktiv erweisen.


In der Verteilung staatlicher Gelder an solche Projekte und Vorhaben, die erfolgversprechend sind, und in der richtigen Einschätzung dessen, was tatsächlich erfolgreich und nützlich sein wird, liegt die Kunst staatlicher Verwaltung.

Die Grenze zwischen Flop und Erfolg ist hauchdünn und verlangt sowohl visionäres Gespür als auch Sachkenntnis.

Und daran sollten Politiker gemessen werden.


Bezeichnenderweise schreien aber diejenigen Herrschaften, die sonst immer vehement gegen eine angeblich zu hohe Staatsquote am BSP protestieren, selbst lautstark nach dem Staat, wenn es darum geht, wer für das von ihnen selbst verzapfte wirtschaftliche Fiasko aufzukommen hat. Während der Präsident einer großen deutschen Bank sonst immer zu den Verfechtern einer Nichteinmischungspolitik des Staates in die Angelegenheiten der Banken gehört, ruft er sofort nach staatlicher Hilfe, wenn es darum geht, Banken, die sich mit faulen Immobilienfonds verzockt haben, aus der Patsche zu helfen. Dafür ist der Staat auf einmal wieder gut.


Der Chef eines großen Industriekonsortiums hatte sich im Zuge der Jagd um die Aktienmehrheit bei Volkswagen verspekuliert. Er hatte mit gepumptem Geld im großen Umfang Options-Leerverkäufe auf VW-Aktien getätigt. Der Kurs entwickelte sich jedoch entgegengesetzt zu seinen Prognosen, das hat ihm das Genick gebrochen. Er hat noch versucht, mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten wegen staatlicher Hilfe zu verhandeln. Der Ministerpräsident hatte jedoch abgelehnt, was wahrscheinlich die richtige Entscheidung war. Die Banken hatten dann den Hahn zugedreht, der Konzernchef sah keinen anderen Ausweg, als sich in einem tragischen Suizid vor einen Regionalzug zu werfen.

Wie auch immer: der Staat ist nicht dafür da, um den Opfern völlig unnötiger, hochriskanter Spekulationsgeschäfte ein teures Auffangnetz zu bereiten.


Eigentlich kann es nicht so schwer sein, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche vordringlichen Aufgaben wir in den nächsten Jahrzehnten mit Subventionen zu fördern hätten. Nur eins von vielen Themengebieten wäre da z.B. die Energieversorgung. Eine wirklich effiziente staatliche Subventionierung würde Geld zur Erforschung alternativer Energieträger und neuer Techniken einsetzen. Für Deutschland wäre es ein Ziel höchster wirtschaftlicher und auch taktischer Priorität, wenn man es schaffen könnte, sich wenigstens zum größten Teil unabhängig von Energieimporten zu machen. Die Abhängigkeit von Energieimporten ist die Haupt-Achillesferse Deutschlands. Die Entscheidung, in neue Hochleistungs-Stromnetze nach Skandinavien zu investieren und vermehrt Strom aus Wasserkraft von dort zu importieren, ist sicher richtig, zusammen mit Investitionen in Windparkanlagen auf See.


Jedenfalls ist genau das eine der absoluten Kernaufgaben zur Förderung der wirtschaftlichen Infrastruktur und der öffentlichen Wohlfahrt. Bezahlbare Energie ist die absolute Grundvoraussetzung für konkurrenzfähige Industrieprodukte, aber auch für die Binnennachfrage. Wenn die Spritpreise sich in kürzester Zeit vervielfachen und trotzdem seit Jahrzehnten die Entwicklung alternativer Antriebskonzepte vernachlässigt wird (erst jetzt kommt sie in Gang), muss man sich nicht wundern, wenn den Bürgern die Kaufkraft für den Sonntagsausflug mit Besuch von Freizeitparks, Gaststätten etc. fehlt.

 Weiter im Teil 6.

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